Pharma-Hauptverwaltung

Nach den positiven Erfahrungen mit dem Düsseldorfer Architekten Emil Fahrenkamp beim Bau der Tablettenfabrik im Jahr 1928 wurde sieben Jahre später auch der Auftrag für die Pharma-Hauptverwaltung an ihn vergeben.

Sein ursprünglicher Entwurf, der sich an der Formensprache seines Vorgängerbaus orientierte, scheiterte aus Luftschutzgründen an der Haltung der Genehmigungsbehörden. Dennoch ist das entstandene 77 Meter lange achtgeschossige Gebäude mit Satteldach und seinem rückseitigen Flügel von hoher architekturhistorischer Bedeutung.

Es zeigt den Wandel im Lebenswerk eines der großen Architekten des Rheinlandes in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Die Pharma-Hauptverwaltung ist Zeugnis für eine nach dem Bau der Tablettenfabrik neuerliche Aufwertung des Standortes Leverkusen. Noch bei Gründung der I.G.-Farben war man 1925 darauf bedacht, die am Markt eingeführten Markennamen der fünf Arzneimittel produzierenden Firmen des Unternehmens beizubehalten: Hoechst, Kalle, Cassella, Agfa und Bayer. 1934 ging man davon ab. Die Produkte des ganzen Konzerns wurden nun unter dem Namen „Bayer“ I.G.-Farbenindustrie AG, Leverkusen verkauft. Die I. G. Pharmazeutika trugen als Merk- und Werbezeichen nur noch das Bayer-Kreuz. Sichtbar wurde der Bedeutungszuwachs des Standorts Leverkusen im Bau der Hauptverwaltung Pharma 1937-39. 

Nach dem Beschluss von 1928 zur Ansiedlung der zur I. G. Farben gehörenden Pharmazeutischen Verkaufsgemeinschaft in Leverkusen waren die aus Hoechst nach Leverkusen umgesetzten Mitarbeiter in der Hauptverwaltung untergebracht worden. Der wachsende Bedarf an Büroflächen führte in den 1930er Jahren zur Planung des neuen Verwaltungsgebäudes. Nach den positiven Erfahrungen mit dem Architekten Emil Fahrenkamp beim Bau der Tablettenfabrik(1928/29) und dem Y-Kraftwerk(1936 – nicht erhalten) wurde dieser Auftrag erneut extern an den Düsseldorfer Architekten vergeben.

Fahrenkamp legte nach Vorarbeiten 1935 einen ersten Entwurf 1936 vor. Dieser erste Entwurf orientierte sich analog zur Tablettenfabrik noch ganz an der Formensprache der Vorkriegszeit mit einer über hohem Sockelgeschoß sich erhebenden Pfeilerarchitektur. Der 10-geschossige Bau war ohne Satteldach gedacht und schloss sich, wohl in Ziegelausführung vorgesehen, damit formal sehr eng auch an die Tablettenfabrik an. Diese beiden Bauten hätten damit an der Kaiser-Wilhelm-Allee ihre enge Zusammengehörigkeit demonstriert und auch einen Kontrapunkt zu den in Naturstein gehaltenen Bauten der Vorkriegszeit: Hauptverwaltung, Duisberg-Villa und Casino geboten. Diese Pläne jedoch wurden auch aus Luftschutzgründen von den Behörden abgelehnt, da das Hochhausprojekt nicht sicher genug sei. Fahrenkamp musste seine Pläne „schweren Herzens“ wie er sich ausdrückte begraben. 

Die neuen Pläne, die Fahrenkamp im gleichen Jahr 1936 angefertigt haben muss, wichen mit einer vergleichsweise feierlich-monumentalen Auffassung stark vom ersten Entwurf ab. Nach dem Baubeginn im Januar 1937 konnte das Verwaltungsgebäude am 1. April 1939 eingeweiht werden.

Das Pharma Verwaltungsgebäude ist ein achtgeschossiger Bau mit Satteldach mit einem weit hinter die Flucht der Hauptfassaden zurückspringenden obersten Stockwerk (Staffelgeschoß). Dominant wirkt der quer an den Endpunkt der Kaiser-Wilhelm-Allee angeordnete 77 Meter lange Hauptbau, an den hinten mittig ein rückseitiger Flügel angefügt ist. Eine rechtwinklig am nördlichen Ende der Hauptfassade liegende Brücke im ersten Obergeschoß  verbindet mit der Hauptverwaltung.

Pharma-Hauptverwaltung. Blick von der Kaiser-Wilhelm-Allee auf die Vorderfront.
Foto: Willy Borgfeldt / Leverkusen, 2021

In der Binnengliederung der mit Kirchheimer Muschelkalk verblendeten Fassaden dominieren die über die sechs Hauptgeschosse verteilten hochrechteckigen und mit schmalen Laibungen umrahmten Fenster. Über einem umlaufend vorkragenden Traufgesims ist das weit zurückspringende Staffelgeschoß und damit auch das Satteldach nur aus der Ferne wahrnehmbar. 

Stärker im Erscheinungsbild wirksam ist das von den Hauptgeschossen sich absetzende Erdgeschoß mit deutlich größeren Fenstern und einem portikusartigen Vorbau mit einem von Säulen getragenen Balkon vor dem Haupteingang. Mittig über dem Portikus trägt ein großer Konsolstein das Bayer-Kreuz. Rechts und links vom Eingang befinden sich zwei Kalksteinreliefs von dem an der Kunstakademie Düsseldorf lehrenden Josef Mages. In allegorischen Darstellungen mit jeweils zwei Figuren verdeutlichen die Reliefs die Themen „Die Wissenschaft hilft dem Arzt“ (links) und „Der Arzt hilft dem Patienten“ (rechts).

Portal der Pharma-Hauptverwaltung.
Foto: Willy Borgfeldt / Leverkusen, 2021

Im Inneren des Verwaltungsgebäudes wird die von der Fa. Philipp Holzmann erstellte Stahlbetonkonstruktion nicht sichtbar. Durch alle Geschosse zieht sich ein großzügiges, zentral angeordnetes und hinter dem Haupteingang mit einem natursteinverkleideten Foyer beginnendes Treppenhaus. Fußböden und Wände sind in diesem Foyer mit deutschem Marmor und Diabas bekleidet. Beidseitig führen vom Foyer aus zweiläufige Treppen in die Obergeschosse, wobei die Treppen auf jeder Etage eine zentrale Halle erschließen, von der aus Gänge zu den Büros führen. Die Treppen haben massive Brüstungen mit Handläufen aus blankem Aluminium. 

In der obersten Etage war im Staffelgeschoß eine Kantine untergebracht. Wie historischen Darstellungen zu entnehmen ist, sollten die davor sich erstreckenden Terrassen mit Tischen, Stühlen und Sonnenschirmen den Benutzern der Kantine dienen. 

Das Pharma Verwaltungsgebäude im Bayerwerk Leverkusen verdeutlicht industriehistorisch die im I.G.-Farbenkonzern arbeitsteilig zwischen den Werken verteilten Aufgaben und die damit einhergehende Konzentration der pharmazeutischen Abteilung auf den Standort Leverkusen. Kongruent zur hohen Bedeutung der Anlage wurde sie an herausragender Stelle der Werksanlage am Ende der Kaiser-Wilhelm-Allee errichtet. Das Gebäude steht allerdings nicht axial in dieser Allee, so dass die Bayer-Hauptverwaltung ihre herausragende Position behielt.

Das Gebäude ist von hoher architekturhistorischer Bedeutung. Es zeigt den Wandel im Lebenswerk eines der großen Architekten des Rheinlandes der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und ist zugleich zusammen mit der Tablettenfabrik ein wichtiges Zeugnis zur Frage der Kontinuität oder Diskontinuität von Architekturformen aus den 1920er Jahren in die NS-Zeit hinein. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang der Wille des entwerfenden Architekten zur Beibehaltung seines in den 1920er Jahren entwickelten Repertoires, dessen Umsetzung offensichtlich an der Haltung der Genehmigungsbehörden scheiterte. 

Walter Buschmann

Ortsinformation:

Kaiser-Wilhelm-Allee 3
51373 Leverkusen

Literatur

  • Heuter, Christoph: Emil Fahrenkamp 1885 – 1966 : Architekt im rheinisch-westfälischen Industriegebiet (Arbeitsheft der rheinischen Denkmalpflege  Bd. 59), Petersberg 2002 
  • Hoff, August: Architekturen, Prof. E. Fahrenkamp Düsseldorf, Düsseldorf 1925
  • ders.: Emil Fahrenkamp. Ein Ausschnitt seines Schaffens aus den Jahren 1924-1927, Stuttgart 1928
  • Ein neues Verwaltungsgebäude der I-G. in Leverkusen. Architekt Professor Emil Fahrenkamp. Düsseldorf, in: Die Bauzeitung 49./36. Jg. 1939 Heft 19, S. 281-285
  • Die Welt in einem Haus, o. O., o. J. in: Bayer-Archiv 59 / 277