Bayer Farbenlager B9 und Bayer-Kreuz

Bayer setzt auf Superlative: Der Stahlbetonbau des zwischen 1951 und 1958 entstandenen Farbenlagers galt zu seiner Zeit als das modernste Fabrikgebäude Deutschlands und als interessanter Beitrag zur Entwicklung der Lager- und Speicherbauten. Für das Unternehmen markierte es in der Nachkriegszeit den Aufbruch in eine große Zukunft. Das  bereits 1933 erstmals errichtete riesige Bayer-Kreuz galt als die größte freitragende Lichtreklame der Welt und als Zeichen „unseres Mutes und der Zuversicht“, wie Generaldirektor Carl Duisberg es damals formulierte. 

Lagerhaltung war seit der Werksgründung eine zwingende Notwendigkeit. Lagerbauten verteilten sich über das ganze Werksgelände der Bayerwerke mit Holz als bevorzugtem Baumaterial. Neben den Rohstofflagern am Werksbahnhof und am Rheinkai waren die Lager für Fertigprodukte und hier speziell für die Farben besonders bedeutend: Hier spiegelte sich das Weltgeschäft des Unternehmens in immer steigenden Farbstoffmengen und Versandzahlen nach allen Teilen der Erde. 

Vor dem Krieg war das Farbenlager im H-Block untergebracht (Gebäudenummern: H 1/2, H 4/5, H 8). Es war ein Hallenkomplex aus drei parallel stehenden Hallen. Als Ersatz für diese im Krieg weitgehend zerstörten Hallen entstand 1950-52 das Farbenlager B 9 als Geschossbau.

Das Gebäude war über einen Verbindungstunnel mit der Farbstoffmühle verbunden. 1955 wurde als zweiter Bauabschnitt der zur Friedrich-Ebert-Straße gelegene Westflügel erbaut und 1958 der östliche Bauteil auf die gleiche Höhe gebracht. Dazwischen erhebt sich seither das Bayerkreuz als Großlichtreklame.

Farbenlager und Bayer-Kreuz 1998. Quelle: Fotostelle Bayerwerke


Der Stahlbetonbau des Farbenlagers entstand über einem U-förmigen Grundriss. Die drei achtgeschossigen Flügel formen einen Innenhof, der durch eine eingeschossige Halle überbaut ist. Wesentliche Elemente der Baumassengliederung sind die an jeder Gebäudeecke vor die Flucht der Fassaden vorspringenden und die alles noch überragenden Erschließungstürme.

Die beiden zuerst Flügel sind auch in der Fassadenausbildung reine Stahlbetonbauten mit horizontal lagernden Fenstern in den mit einem hellen Schutzanstrich versehenen Sichtbetonflächen. Im zweiten Bauabschnitt wurden bei dem östlichen, zur Straße orientierten Flügel Treppentürme und Brüstungen mit Verblendziegeln verkleidet.

Die Innenkonstruktion der achtgeschossigen Bauteile besteht aus Stahlbetonstützen, die in einem Raster von 6×6 Meter aufgestellt sind. Die dreischiffige Halle im Innenhof wird von Stahlbetonbindern mit einer Spannweite von 17,0 Metern im Mittelschiff und zwei mal 6,75 Meter in den Seitenschiffen überspannt.

In den Fensteröffnungen sind überwiegend kleinteilige Metallsprossenfenster eingesetzt. Vor dem Erdgeschoß erstrecken sich überdachte Rampen mit Überdachungen in Beton.

Die wichtigsten Funktionsteile im Inneren des Gebäudes sind sechs Lastenaufzüge mit je 3 Tonnen Tragkraft. Die Farbbehälter wurden mit Elektrokarren, den sog. Eidechsen transportiert, wobei die Lastenaufzüge so dimensioniert waren, dass sie die beladenen Elektrokarren aufnehmen konnten. Die Farbe kam zumeist in Fässern mit einem Transportband durch den zur Farbstoffmühle reichenden Tunnel. Für die 450 Arbeiter in dem Gebäude gab es einen Paternoster.

Als das Gebäude im ersten Bauabschnitt 1951 fertiggestellt worden war, wurde es in allen örtlichen Zeitungen mit Superlativen vorgestellt: Die Kölnische Rundschau sprach vom größten Gebäude Leverkusens, die Rheinische Zeitung stufte es als größtes Farbenlager der Bundesrepublik ein und der Kölner Stadt-Anzeiger hielt es für das größte und modernste Fabrikgebäude Deutschlands und wahrscheinlich für eines der größten Fabrikgebäude überhaupt. (alle vom 9. 11. 1951)

Dieser Enthusiasmus resultierte sicher auch daraus, dass nun die unmittelbare Nachkriegszeit überwunden galt und mit diesem Großbau nunmehr auch ein Zeichen gesetzt wurde für die erwartete große Zukunft. Bezeichnenderweise sah man diese Zukunft erneut im Farbengeschäft, jener Sparte, die zur Gründung des Unternehmens knapp 90 Jahre zuvor geführt hatte. Nach Vollendung hatte man 1958 mit einer Gesamtlagerfläche von 11620 qm einen interessanten Beitrag zur Entwicklung der Lager- und Speicherbauten geschaffen.

Das Bayer-Kreuz

Von historischen Interesse ist auch das als Großlichtreklame 1958 zwischen zwei Pfosten gespannte Bayer-Kreuz. Es hatte hierzu eine Vorläuferanlage gegeben, die 1933 als größte freitragende Lichtreklame der Welt zwischen die Schornsteine des Kraftwerks gespannt worden war.

Carl Duisberg erläuterte den Sinn der Anlage:

Wie das Kreuz des Südens dem Seefahrer richtungsgebend und Hoffnung spendend leuchtet, so soll dieses Kreuz des Westens im Herzen des deutschen Industriezentrums dem deutschen Kaufmann, dem deutschen Unternehmer und dem deutschen Arbeiter aufleuchten als Zeichen unseres Mutes und unserer Zuversicht. Dem Auslande möge es ein Zeichen sein für die Sorgfalt und Qualität deutscher Arbeit.

Nach Übernahme des Bayer-Kreuzes als Pharmazeichen wurde es weltweit verbreitet und wo immer möglich auch als Lichtzeichen angebracht.

Bayer-Kreuz am ursprünglichen Standort, wo es im Werksgelände zwischen die Schornsteine des Kraftwerks gespannt war. Quelle: Pinnow, Hermann: Werksgeschichte. Der Gefolgschaft der Werke Leverkusen, Elberfeld und Dormagen zur Erinnerung an die 75. Wiederkehr des Gründungstages der Farbenwerke vorm. Friedr. Bayer & Co., gewidmet von der IG Farbenindustrie AG, München 1938

Das Großkreuz im Leverkusener Werk wurde wegen der Verdunklungsvorschriften am 31.8.1938 abgeschaltet und nach 1945 demontiert.

Der am 2.9.1958 erstmals aufleuchtende Nachbau war mit einem Durchmesser von 51 Metern etwas kleiner als der Vorgänger, hatte 1680 Glühbirnen und wog 300t.

Farbenlager und Bayer-Kreuz 2022. Foto: Willy Borgfeldt


Das Farbenlager ist ein in Größe, Konstruktion und Architektur beeindruckendes Beispiel eines Speicher- und Lagergebäudes. Es zeigt die großen Anforderungen an die Lagerhaltung in der chemischen Industrie. Das Bauwerk verdeutlicht die Aufbauleistung im Werk Leverkusen nach dem Zweiten Weltkrieg. Das Bayer-Kreuz hat für das Werk und für die Stadt Leverkusen Wahrzeichencharakter.

Walter Buschmann

Ortsinformation:

Friedrich-Ebert-Straße 261
51373 Leverkusen

Literatur

  • Die Entwicklung der Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co. Elberfeld, o. O. Aufl. 1904 mit koloriertem Lageplan; Aufl. 1907Staar Lev Lw 364
  • Geschichte und Entwicklung der Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co. Elberfeld in den ersten 50 Jahren, Leverkusen 1918 (Böttinger Festschrift) Star Lev LF 427
  • Leistikow, Dankwart: Die bauliche Entwicklung des Werkes Leverkusen 1891-1945, Leverkusen 1996/1997 (unveröffentlichtes Manuskript) – Fundort: Stadtarchiv Leverkusen
  • Pinnow, Hermann: Werksgeschichte. Der Gefolgschaft der Werke Leverkusen, Elberfeld und Dormagen zur Erinnerung an die 75. Wiederkehr des Gründungstages der Farbenwerke vorm. Friedr. Bayer & Co., gewidmet von der IG Farbenindustrie AG, München 1938
  • Pohlenz, Michael (Red.): Bayer kommt an den Rhein. Wiesdorf und das Werk 1891-1912, Leverkusen 1991
  • Plumpe, Werner: Leverkusen als Gesamtkunstwrk oder Carl Duisbergs Vision von der Fabrikstadt der Zukunft, in: Niederwupper Heft 28, Leverkusen 2017, S. 251-266
  • Rudolf, Werner/ Militz, Claus: Spuren im Werk. Industriebauten von damals, Heidelberg 1984
  • Verg, Erik/ Plumpe, Gottfried: Meilensteine. 125 Jahre Bayer 1863-1988, Leverkusen 1988
  • Drekopf, Norbert u.a.: Bayer kommt an den Rhein. Wiesdorf und das Werk 1891-1912, Leverkusen 1991