Agfa – Verwaltung und Lager

Ein repräsentativer Empfangsbereich für die Kundschaft im neungeschossigen Bürohochhaus – eine black-box fürs Fotopapier und den Versand: Das 1954 entstandene Agfa-Gebäude besteht aus Verwaltung und Lager, die als eine aufeinander bezogene Einheit gelten müssen. Der Architekt Fritz Kunz realisierte mit diesem Ensemble ein baukünstlerisch gelungenes Beispiel für die Architektur der 50er Jahre, das sich deutlich abwendet von der feierlich-monumentalen Formensprache der Vorkriegsarchitektur.


1925 entstand in Deutschland aus Vorläufern und unter Beteiligung der Unternehmen

  • Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co.
  • Agfa Actien-Gesellschaft für Anilin-Fabrikation in Berlin,
  • BASF Badische Anilin– & Sodafabrik in Ludwigshafen,
  • Chemischen Fabriken Griesheim-Elektron in Griesheim am Main
  • Chemische Fabrik Kalle & Co. in Biebrich
  • Cassella Farbwerke Mainkur Aktiengesellschaft in Frankfurt am Main
  • Farbwerke vorm. Meister Lucius & Brüning in Frankfurt am Main
  • Chemischen Fabriken Weiler-ter Meer in Uerdingen bei Krefeld

die I.G. Farben-Industrie-Aktiengesellschaft (IG Farben AG), der größte europäische und viertgrößte globale Konzern. Siehe auch Bayer AG, der Konzern

Agfa übernahm dabei die Fotochemie, erhielt dazu von den Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co. das Camerawerk München und die Photofabrik Leverkusen, in der Fotopapiere hergestellt wurden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg und unter der Verwaltung der Alliierten Hohe Kommission 1950 angeordete Entflechtung der IG Farben AG wurde am 18. April 1952 die Agfa AG für Photofabrikation in Leverkusen gegründet, die alliierte Kontrolle endete 1953.


Der Bauantrag für das Agfa Bürohochhaus und Lagerhaus wurde 1954 gestellt. Als Planverfertiger signierte in beiden Fällen Dr. Fritz Kunz. Auf den Plänen für das Lagerhaus findet sich zugleich auch der Name des Architekten Ernst Panzer aus Köln.

Das neungeschossige Bürohaus ist „aus gestalterischen Gründen“ um 5,0 Meter aus der Bauflucht der Kaiser-Wilhelm-Allee zurückgenommen. Die gestalterischen Gründe werden in der Baubeschreibung zwar nicht erläutert. Es ist wahrscheinlich, dass die Anordnung des Haupteinganges mit dem weit vorkragenden Vordach und die Wagenvorfahrt die zurückgesetzte Gebäudeanordnung nahe legten. Der Gebäudekörper wird wesentlich geprägt durch das zurückliegend ausgebildete Dachgeschoß mit der 0,7 Meter vor die Gebäudeflucht vorspringenden Dachplatte.

Agfa-Hauptverwaltung. Betonraster, vorspringendes Flugdach und das Vordach vor dem Haupteingang prägen die Architektur.
Foto: Willy Borgfeldt, 2021

Der Baukörper des Bürohauses spiegelt die Innenkonstruktion. Das innere Stahlbetonskelett mit einem Stützenabstand von 3,5 Meter wird im Außenbau durch eine Rasterfassade mit quadratischen Feldern (3,5×3,5m) wiedergegeben. Die Oberflächen dieses gleichmäßigen Rasters werden jedoch nicht durch sichtbaren Beton, sondern durch einen lebendigen Putzauftrag gebildet.

Jedes Fassadenfeld wird noch einmal durch dünnere Pfeiler zwischen den Fenstern mittig geteilt, um das Achsmaß der Büros 1,75 Meter verwirklichen zu können. Die Fensterbrüstungen sind aus blau-bunten Klinkern gemauert. Beide Hauptfassaden werden durch einen 0,77 Meter breiten Rahmen aus Klinkermauerwerk zusammengefasst.

Wie so oft in der Architektur der 1950er Jahre konzentriert sich die Detailgestaltung auf den Haupteingang mit dem dahinter liegenden Foyer und der Treppe. Der mittig in der Straßenfassade liegende Haupteingang wird angezeigt durch eine schräg geneigte, trapezförmige Dachplatte über Rundstützen.

Unter der Dachplatte und in diese teilweise eingelassen befinden sich runde Leuchtkörper. Das Dach überspannt einen verglasten Windfang mit an den Ecken gebogenen Glasscheiben. Hinter dem Haupteingang erstreckt sich das Foyer mit seitlich angeordnetem Paternoster bis zur Rückfassade. Die Wandbekleidung ist in gelblichem, poliertem Naturstein (Solnhofener Platten) ausgeführt, der Fußbodenbelag besteht aus schwarzem Marmor.

Vor der Rückfassade ist eine halbrund-gewendelte Treppe aus Beton mit einem Stabgeländer und Handlauf aus Messing angeordnet. Diese Treppe führt nur bis ins erste Obergeschoss, wo mittig über dem Eingang ein Konferenzzimmer, drei Direktorenzimmer sowie Ausstellungs- und Vorführraum untergebracht waren. Treppe und zentraler Flurbereich im 1. Obergeschoss sind mit Naturstein bekleidet. In der Rückfassade waren hinter der Treppe vier quadratische Gefache mit einer Buntverglasung geschmückt, die später durch die jetzigen grau-weißen Fenster mit gegenständlichen Darstellungen ersetzt wurden.

Eine ähnliche Situation wie im Erdgeschoss mit einer halbrund-gewendelten Treppe findet sich im 7. Obergeschoß. Auch diese zum Staffelgeschoß führende Treppe ist aus Beton gefertigt und gleicht im Belag und mit dem Stabgeländer der Treppe im Erdgeschoß. Diese relativ aufwendige Ausstattung resultiert wohl aus der Kundenorientierung der Gesamtanlage und besonders der beiden unteren und oberen Geschosse.

Im Staffelgeschoss war eine historische Sammlung (Agfa-Historama) und ein Film-Vorführraum untergebracht. Die flache Brüstung vor dem Umgang und der aufwendige Belag des Umgangs mit Natursteinplatten sollten den Benutzern dieses Geschosses offenbar einen interessanten Ausblick aus dem Gebäude auf den Park und das Werksgelände ermöglichen.

Die sonstige Ausstattung des Bürogebäudes ist belanglos. Es gibt an beiden Gebäudeschmalseiten zwei weitere Treppenhäuser mit einer sehr zurückhaltenden Ausgestaltung. Die Bürogeschosse sind in jüngerer Zeit den zeitgemäßen Ansprüchen entsprechend hergerichtet worden.

An das Bürohaus angefügt ist das siebengeschossige Lagerhaus. Es ist ein weitgehend fensterloser Baukörper, der in der Flucht der Tablettenfabrik steht und sowohl durch seine vor das Bürohaus vorspringende Anordnung, wie auch durch die ruhige Flächigkeit der Fassaden einen spannungsreichen Kontrast zum Bürohaus bietet. In der östlichen Fassade gibt es etwa mittig eine Fluchtlinienknickung um rund 8 Grad.

Nördlich bildet ein Zwischenbau mit großzügiger Durchfahrt die Anbindung an das Gebäude K 53. In diesem 4-achsigen Zwischenbau wurden Sozialräume untergebracht, so dass alle Geschosse mit großen Fenstern belichtet werden. In dem sonstigen kubusförmigen Lagerhaus gab es abgesehen von der Erdgeschosszone der Straßenfront keine Fenster zur Belichtung der Geschosse.

Die heute zu sehenden Fenster im Obergeschoss sind später eingefügt worden, und beeinträchtigen kaum die beabsichtigte Wirkung des wie eine große black-box wirkenden Gebäudes. Aufgelockert werden die Fassaden durch die als vertikale Fensterbänder ausgebildeten Belichtungselemente der beiden Haupttreppenhäuser. Im Erdgeschoss sind den Gebäudelängsseiten Rampen vorgelagert, teilweise mit neuzeitlichen Einhausungen.

Das Gebäude ist als Stahlskelettbau konstruiert. Die in sechs Reihen aufgestellten Stützen, Haupt- und Nebenunterzüge sind sämtlich feuerfest ummantelt. Im Kellergeschoss und in den Obergeschossen war Fotopapier gelagert. Das Erdgeschoss diente zur Verpackung und zum Versand. Der Warentransport zwischen den Geschossen erfolgte durch große Lastenaufzüge.

Die historische Bedeutung des Gebäudes resultiert industriegeschichtlich aus der Entwicklung der Fotoindustrie. Es markiert mit seinem Baujahr 1954/55 einen wichtigen Entwicklungsschritt in der Neuorganisation der Fotoindustrie nach dem Zweiten Weltkrieg und kündet vom zukunftsorientierten Optimismus dieser aufstrebenden Branche.

Architekturgeschichtlich ist die Autorenschaft dieses Bauwerks durch den Fahrenkamp-Schüler Fritz Kunz bemerkenswert. Kunz hatte am Bau der Tablettenfabrik mitgewirkt und war in dieser Zeit, also um 1937 Leiter des firmeneigenen Baukonstruktionsbüros A geworden.

Kunz wendet sich mit dem Agfa-Bürohaus deutlich von der feierlich-monumentalen Vorkriegsarchitektur ab und realisierte nun eine Formensprache, die mit Rasterfassade, schwebendem Dach über Staffelgeschoß, Haupteingang mit ebenfalls schwebender Kragplatte und der Detailgestaltung der Treppen deutlich an die in den 1950er Jahren geltenden Gestaltideale sich anlehnt.

Das Gebäude ist daher sowohl bedeutend für die hier für den Verwaltungsbau ablesbare Diskontinuität von der NS-Zeit zur Nachkriegszeit und bietet zugleich ein baukünstlerisch gelungenes Beispiel für die Architektur der 1950er Jahre. Bürohaus und Lagergebäude müssen dabei als eine aufeinander bezogene Einheit gelten.

Walter Buschmann

Ortsinformation:

Kaiser-Wilhelm-Allee 60
51373 Leverkusen

Literatur

  • Verg, Erik / Plumpe, Gottfried: Meilensteine. 125 Jahre Bayer 1863-1988, Leverkusen 1988

Quellen

  • Stadt Leverkusen, Bauaufsichtsamt, Bauakten K12 (Bürohochhaus) und K 13 (Lagergebäude)
  • Leistikow, Dankwart: Die bauliche Entwicklung des Werkes Leverkusen 1891-1945, Leverkusen 1996/1997 (unveröffentlichtes Manuskript) – Fundort: Stadtarchiv Leverkusen