Bayer-Siedlung Kolonie II Anna

Leverkusen ist stolz auf Architektur und Geschichte der Arbeitersiedlung Kolonie II. Sie orientiert sich am neuen städtebaulichen Konzept der Gartenstadt und ist beispielgebend für ihre hohe Wohnqualität. Die Bayer-Siedlungen gehörten neben den Arbeitersiedlungen im Ruhrgebiet zu den ersten, als Denkmal eingetragenen Objekten dieser Architekturgattung im Rheinland. 


Geschichte

Für die Entwicklung des Bayer-Werks in Leverkusen ab 1895 war die Unterbringung der Arbeiter und ihrer Familien von entscheidender Bedeutung. Werksleiter Carl Duisberg, ab 1912 auch Generaldirektor des im gleichen Jahr mit seiner Hauptverwaltung offiziell von Wuppertal an den Rhein verlegten Unternehmens legte deshalb besonderen Wert auf die Anlage von firmeneigenen Siedlungen und von weiteren „Wohlfahrtseinrichtungen“.

Für den Bau der Siedlung erwarb das Unternehmen von der Gemeinde Wiesdorf ein umfangreiches Gelände nordöstlich der Ortslage, das im Osten von der Köln-Mindener Bahn und im Norden vom Flüsschen Dhünn begrenzt wurde.

Lage der Kolonie II.

Im Unterschied zur ältesten, in parallelen Straßen angeordneten Arbeiterkolonie I , später als „Julia“ bezeichnet, die in den 1960er Jahren abgebrochen wurde, orientiert sich die Kolonie II am damals neuen städtebaulichen Konzept der Gartenstadt, d.h. der organisch-freien Straßenführung mit villenartig freigestellten Baukörpern in variantenreicher Gestaltung.

Bei späteren Ergänzungen kommen neben neuen architektonischen Formen auch andere städtebauliche Ideen zur Anwendung, so in dem Hof an der Ostseite. Der Carl-Duisberg-Platz mit dem Feierabend-Brunnen wird von symmetrisch angeordneten Gruppenbauten eingefasst. An der Nordwestecke entsteht eine Anlage, bei der Mehrfamilienhäuser einen über Toreinfahrten erschlossenen Innenhof mit weiteren Etagenwohnhäusern umfassen.

In den 1960er Jahren plante die Stadt Leverkusen im Rahmen der Zentrumsbildung („City Leverkusen“), die Siedlung durch eine „Wohnschlange“ zu ersetzen. Aber der Widerstand der Bewohner und weiterer Teile der Bevölkerung gegen den sogenannten „Lindwurm“ formierte sich und stärkte das Bewusstsein für die hohe Wohnqualität der Siedlung. Die ehrenamtliche und spendenbasierte Einrichtung und Betreuung des „Koloniemuseums“ an der Nobelstraße dokumentiert bis heute diese neue Wertschätzung und den Stolz auf Architektur und Geschichte der Siedlung. 

Neben den Arbeitersiedlungen des Ruhrgebiets gehörten die Leverkusener Siedlungen zu den ersten als Denkmal eingetragenen Objekten dieser Architekturgattung im Rheinland. Allerdings konnte der Abbruch des südlichsten Teils der Siedlung zugunsten großformatiger Geschäfts- und Verwaltungsbauten für die „City Leverkusen“ nicht mehr verhindert werden. 

Die Siedlung wurde von der Bayer AG verkauft und befindet sich heute im Besitz des Wohnungskonzerns Vonovia.

Beschreibung

Der älteste, östliche Teil der Siedlung ist überwiegend mit Doppel- und kreuzförmig geteilten Viererhäusern bebaut. Bei letzteren sind zwei Hausviertel von der Frontseite und zwei Viertel von hinten zugänglich.

Dadurch entsteht von vorn der Eindruck zweier „Halbvillen“ (einseitig angebauter Wohnhäuser), zumal die Bauten mit Sockel, Freitreppen, und einem häufig durch Fachwerk verkleideten Obergeschoss versehen sind und die beiden Hauptgeschosse eine großzügig bemessene Deckenhöhe besitzen.

Jedem Hausviertel ist hinter dem Gebäude eine Gartenparzelle zugeordnet, die wiederum einen Anteil an einem zentral platzierten Geräte- und Stallgebäude besitzt.

Kolonie II. Häuser mit vier Wohnungen an der Nobelstraße, um 1900. Foto: Willy Borgfeldt / Leverkusen, 2021

Bevorzugt an Straßenecken bzw. auf spitzwinkeligen Grundstücken wurden die sogenannten Meisterhäuser errichtet, echte Doppelhäuser mit besonders aufwendig gestalteten Dachlandschaften.

Die hier untergebrachten Mitarbeiter konnten so auch außerhalb der Arbeit die einfachen Arbeiter im Auge behalten; dadurch spiegelt die Siedlung die Hierarchie am Arbeitsplatz wider.

Kolonie II. Foto: Willy Borgfeldt / Leverkusen, 2021

Den Mittelpunkt des ältesten Siedlungsteils bildet der rechteckige Kaiserplatz, der ursprünglich gärtnerisch gestaltet war. Im Zweiten Weltkrieg wurde dort eine unterirdische Bunkeranlage errichtet.

Kaiserplatz. Quelle: Bayer AG, Bayer Archives Leverkusen

Zu den später errichteten Anlagen gehören die symmetrische Hofbebauung im Südosten (Clemens-Winkler-Straße) und die Wohnanlage an der Albert-Einstein-Straße, die mit ihren Mehrfamilienhäusern, den stadttorartigen Durchgängen und der Innenhofbebauung deutlich urbane Züge aufweist.

Reihenhäuser aus späterer Ergänzungsphase, um 1922.
Foto: Willy Borgfeldt / Leverkusen, 2021

Die Siedlung schließt winkelförmig den Erholungspark mit dem Bayer-Erholungshaus ein, das 1912 errichtet wurde. Im Park befanden sich auch die Frauenklinik und das Mädchenwohnheim des Unternehmens. Alexander Kierdorf

Bayer-Erholungshaus. Quelle: Bayer AG, Bayer Archives Leverkusen

In der Kolonie II befindet sich das „Koloniemuseum“. Es liegt schräg gegenüber dem Erholungshaus (Nobelstr. 78/82) und vermittelt Informationen über alle Leverkusener Bayer-Siedlungen. (Kolonie-Museum Leverkusen – Über 110 Jahre Wohnen in Leverkusen-Wiesdorf)

https://www.kolonie-museum.de/

Ortsinformation:

Große Kirchstraße, Dhünnstraße, Nobelstraße, Wöhlerstraße, van’t Hoff-Straße, Johannes-Wislicenus-Straße u. a.
51373 Leverkusen

Literatur und Quellen

  • Wohlfahrtseinrichtungen der Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co, Elberfeld, 1902, S. 66-82
  • Wohlfahrtseinrichtungen der Farbenfabriken, Elberfeld-Leverkusen 1910, S. 75-112
  • Landeskonservator Rheinland (Hg.); Grunsky, Eberhard (bearb.): Technische Denkmäler: Arbeitersiedlungen 2 (Arbeitsheft der rheinischen Denkmalpflege, Bd. 3, Köln 1972, (2)1975, S. 11-18
  • Pufke, Andrea (hg.): Siedlungen in Nordrhein-Westfalen: Rheinschiene, Bd. 2: Königswinter bis Wuppertal, Petersberg 2021, S. 979-986
  • LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, Gutachten Bayer-Siedlungen von 1986 (Barbara Fischer)