Bahnhof Wiesdorf/Bayerwerk

Im ehemaligen Bahnhof Wiesdorf, dessen Bau und Lage lange umstritten war, halten seit 1991 keine Züge mehr. Das Empfangsgebäude aus dem Jahr 1914, dessen Kernbau bis heute erhalten ist sowie sein umfangreicher Anbau sind Zeugnisse eines ländlich-regionalen Stils, der Anschluss sucht an die Villenarchitektur der Beamtenkolonie der Firma Bayer. Seit 2002 wird das Gebäude von Vereinen genutzt, die dem Unternehmen nahe stehen.


Geschichte

Der seit 1991 nicht mehr genutzte Bahnhof Wiesdorf/Bayerwerk liegt an der 1845/46 von der Köln-Mindener Eisenbahn-Gesellschaft eröffneten Strecke (Köln-)Deutz-Minden-Berlin. Ursprünglich war im heutigen Leverkusener Stadtgebiet nur eine Station bei Küppersteg vorgesehen, die heute als S-Bahn-Halt betrieben wird. Die parallele Strecke der Rheinischen Eisenbahn erhielt einen Bahnhof im heutigen Manfort, der den Namen Schlebusch erhielt. Ein weiterer Bahnhof Schlebusch-Morsbroich wurde an der 1868 angelegten, ebenfalls parallelen Strecke der Bergisch-Märkischen Eisenbahn von Mülheim über Dünnwald nach Opladen unter dem Namen Schlebusch-Morsbroich angelegt (der späteren Güterstrecke).

Mit der Ansiedlung der Chemischen und Sprengstoffindustrie im Leverkusener Raum stieg das Bedürfnis nach einer Haltestelle auf Höhe von Wiesdorf, wo das Bayerwerk ein zukünftiges Stadtzentrum favorisierte.

Die inzwischen in staatlichem Eigentum zusammengefasste Eisenbahn lehnte jedoch lange die Anlage eines zusätzlichen Haltpunktes ab, dessen Lage zudem zwischen Unternehmen und Gemeinde umstritten war. Erst kurz vor dem Ersten Weltkrieg einigte man sich auf einen Standort dieser Station Wiesdorf/Bayer unweit des neuen Pförtners 1 der Bayer-Werke, nördlich der Bayer-Beamtensiedlung. Hier errichtete die Bahn das heute noch existierende Bahnhofsgebäude, das am 2. Januar 1914 eröffnet wurde.

Erst im Jahre 1979 erhielt Leverkusen einen Bahnhof in der neuen Stadtmitte, etwa einen Kilometer weiter nördlich. Dort in Leverkusen-Mitte halten seitdem die Züge des Regional- und Fernverkehrs. Mit dem Ausbau der Köln-Mindener Eisenbahn zu einer S-Bahn-Strecke wurden weitere Haltepunkte angelegt. Die weiter südlich an der Unterführung der Otto-Bayer-Straße bereits auf Kölner Stadtgebiet gelegene Station Leverkusen-Chempark löste dabei 1991 endgültig die alte Station Wiesdorf/Bayer ab.

Diese wurde 1992 von der Deutschen Bahn im Tausch gegen Flächen an die Bayer AG abgegeben und nach Auslaufen des Pachtvertrags für die dort betriebene Gaststätte von 1999 bis 2002 für 300.000 € saniert. Seitdem wird das seit 1995 unter Denkmalschutz stehende Gebäude (ergänzt 2010 um den Vorplatz mit Brunnen) von verschiedenen, dem Unternehmen nahestehenden Vereinen genutzt. Parkanlage und Brunnen wurden mit Hilfe erhaltener Fragmente erneuert.

Das Empfangsgebäude Wiesdorf besitzt einen querliegenden, eingeschossigen Kernbau mit hohem Walmdach, das ringsum weit über die Außenwände kragt. Spätere, flache eingeschossige Anbauten an der Ost- und Südseite haben den Grundriss des Baus erheblich verändert.

An der westlichen Eingangsseite ist der von großen Fenstern begleitete mittlere Teil bogenförmig vorgezogen und enthält ein breites doppelflügeliges Portal, das über einen Windfang zur polygonalen Empfangshalle führt. Diesem Vorbau entspricht in der Dachzone ein nach Art eines Mansarddaches abgestufter geschlossener Aufbau.

Breite Doppelgauben begleiten den Vorbau; bekrönt wurde das Dach durch einen mächtigen, die Mitte zusätzlich betonenden, flach abschließenden Belvedere, der an beiden Längsseiten eine Uhr zeigte. An der Ost- bzw. Bahnsteigseite besetzte eine langgestreckte, mit drei geschwungenen haubenartigen Dächern besetzte Gaube das Dach, über dem der Belvedere aufragte.

Bahnhof Wiesdorf von der Stadtseite, um 1914.
Quelle: Bayer AG, Bayer Archives Leverkusen
Bahnhof Wiesdorf von der Stadtseite.
Foto: Willy Borgfeldt, 2021

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Schieferdach und der Turmaufsatz entfernt; der Bau wurde einheitlich hell gestrichen, die reiche Fenstersprossung entfernt.

Die Nordostecke des Baus an der Bahnsteigseite war leicht erweitert; aus diesem Anbau entwickelte sich später ein umfangreicher, nach Osten gehender Anbau. Die Außenwände des in Wirklichkeit massiven Gebäudes ist von einem Fachwerkraster überzogen, das ursprünglich in dunkler Farbe, wohl Schwarz, von den weißen Wandflächen und Fensterrahmen abgesetzt war.

Damit harmonierte das grauschwarze Schieferdach. Damit lehnt sich die Gestaltung, die wohl in der Bauabteilung der Reichsbahndirektion Köln erfolgte, eng an die zu dieser Zeit sehr beliebte neobergische Bauweise an. Ein Vergleich mit dem gleichzeitig entstandenen Deutzer Bahnhof in Köln zeigt gleiche Tendenzen zur Verbindung symmetrisch-barocker mit leicht asymmetrischen Elementen.

Das Empfangsgebäude in Wiesdorf vertritt dabei ausdrücklich einen ländlich-regionalen Stil, der Anschluss sucht an die Villenarchitektur der benachbarten Beamtenkolonie der Firma Bayer.

Empfangsgebäude on der Bahnseite, um 1914.
Quelle: Bayer AG, Bayer Archives Leverkusen
Bahnhof Wiesdorf von der Bahnseite. Blick von Südosten.
Foto: Willy Borgfeldt, 2021

Wie damals üblich, befanden sich die Toiletten in einem eigenen, verputzten und barockisierend gestalteten Gebäude südlich des Hauptbaus. Am Vorplatz befand sich auch ein sorgfältig in Fachwerk gestalteter Verkaufspavillon.

Anfang der 1930er Jahre wurde vor dem Bahnhof eine parkartig gestaltete Rasenfläche mit begleitenden Bäumen und einem Brunnen angelegt, der von drei lebensgroßen Skulpturen gerahmt wurde. Nur eine dieser Figuren ist erhalten, ein Knieender.

Parkanlage mit Denkmal für Kirche und Brunnen (hinten).
Foto: Willy Borgfeldt, 2021

Weiter westlich erinnert eine Plastik mit Dachkreuz an die 1954 an der Nordseite des Rudolf-Mann-Platzes errichtete Kirche St. Maria Friedenskönigin. Die Kirche wurde 2012 abgebrochen.

Internet
de.wikipedia.org: (abgerufen 24.2.2022)

Literatur und Quellen
Stadt Leverkusen, Denkmalamt, Hausakte

Alexander Kierdorf

Ortsinformation:

Große Kirchstraße, Dhünnstraße, Nobelstraße, Wöhlerstraße, van’t Hoff-Straße, Johannes-Wislicenus-Straße u. a.
51373 Leverkusen

Literatur und Quellen

  • Wohlfahrtseinrichtungen der Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co, Elberfeld, 1902, S. 66-82
  • Wohlfahrtseinrichtungen der Farbenfabriken, Elberfeld-Leverkusen 1910, S. 75-112
  • Landeskonservator Rheinland (Hg.); Grunsky, Eberhard (bearb.): Technische Denkmäler: Arbeitersiedlungen 2 (Arbeitsheft der rheinischen Denkmalpflege, Bd. 3, Köln 1972, (2)1975, S. 11-18
  • Pufke, Andrea (hg.): Siedlungen in Nordrhein-Westfalen: Rheinschiene, Bd. 2: Königswinter bis Wuppertal, Petersberg 2021, S. 979-986
  • LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, Gutachten Bayer-Siedlungen von 1986 (Barbara Fischer)