In den Beratungen über die Anlage eines neuen Eisenbahn-Ausbesserungswerks spielten von Anfang an auch die Unterbringungsmöglichkeiten für eine mehrere 1000 Beschäftigte umfassende Belegschaft eine Rolle.
Für Opladen sprach nicht nur der zentrale Standort im Eisenbahnnetz, sondern auch, dass ausreichende Flächen für das Werk selbst und für den Bau von Arbeiterwohnungen zur Verfügung stand.
Geschichte
Aus der vorhandenen Bausubstanz heraus konnte das um 1900 etwa 4000 Einwohner zählende Opladen den Wohnraumbedarf nicht decken. Die Stadt Opladen konnte seine Chancen gegenüber alternative Standorte für das Eisenbahn-Ausbesserungswerk steigern, indem ein großes städtisches Grundstück mit 20.255 qm kostenlos für den Wohnungsbau zur Verfügung gestellt wurde.
Mit Inbetriebnahme der Wagen-Reparaturwerkstätte 1903 begann auch der Wohnungsbau auf dem südwestlich vom Werk, jenseits der Bahntrasse gelegenen Grundstücks. 1908, ein Jahr nach Fertigstellung der Lok-Werkstätten waren die Wohnungen alle bezugsfertig. Weitere Wohnhäuser wurden ab 1901 unmittelbar am Werk entlang der Werkstättenstraße errichtet.
Die von der Eisenbahntrasse Köln-Düsseldorf bewirkte Trennung der Siedlung vom Werk wurde durch den Bau einer 1912 erbauten Fußgängerbrücke überwunden. Durch diese Brücke wurde auch die gleichzeitig mit dem Werk entstehende Opladener Neustadt an das Werk angebunden.
Hier in der Neustadt entstand durch den „Gemeinnützigen Bauverein Opladen“ weiterer Wohnraum. Dessen Bautätigkeit wurde durch Gewährung von Hypothekendarlehen durch die Eisenbahn gefördert. Eisenbahnsiedlung und die Wohnanlagen des Bauvereins waren als Erweiterungsgebiet der Altstadt gut an die dort vorhandenen Versorgungseinrichtungen angebunden. Die im Kontext von Siedlungsbau und Ausbesserungswerk erhaltenswerte alte Brücke, im Volksmund auch Henkelmannbrücke genannt, wurde leider abgebrochen und durch eine neue Brücke ersetzt.
Der Entwurf für die Eisenbahnsiedlung kam aus Bauabteilung der Königlich Preußischen Eisenbahn-Direktion Elberfeld. Entlang der Gleise entstanden drei Blöcke mit dreigeschossigen Mietshäusern.
Im weiteren Verlauf der zum Opladener Bahnhof führenden Bahnallee wurden diese Arbeiterhäuser durch Beamten- und Direktorenwohnhäuser (Nr. 4-16) ergänzt. Die beiden erhaltenen Direktorenwohnhäuser (ein drittes Haus wurde im Krieg zerstört) sind Putzbauten im Villenstil mit turmartigen Bauteilen und abgewalmten Dächern. (Nr. 4a und 6).
Die dreistöckigen Mehrfamilienhäuser bilden keine geschlossene Blöcke. Es sind vielmehr Einzel- teilweise auch Doppelhäuser, die mit den schmalen Abständen zwischen den Häusern vielfältige Verbindungen zu den begleitenden Straßen ermöglichen und für eine gute Durchlüftung der Innenhöfe sorgen. Die Innenhöfe wurden nicht mit Hinterhäusern bebaut, sondern boten Platz zum Wäschetrocknen und als Spielplätze. Sowohl hier, wie auch den begleitenden Straßen wurden Bäume gepflanzt.
Die straßenseitigen Fassaden sind in der Formensprache eines reformierten Historismus unterschiedlich gestaltet. Reine Backsteinbauten wechseln mit klassisch aufgebauten Putzfassaden oder Fassaden mit einer Mischung aus Putzflächen und gliedernden Backsteinelementen. Die Grundstruktur der Fassaden ist jedoch einheitlich: in den sechsachsige Fassaden werden die beiden Mittelachsen durch übergiebelte Mittelrisalite gegliedert.
Generell werden die Häuser von den Innenhöfen aus erschlossen. Die Hauseingänge werden durch leicht aus den rückwärtigen Fassaden vorspringende Treppenhäuser markiert. Die Wohnungen haben zwei zur Straße liegende, sicher als Schlafzimmer genutzte „Stuben“ und zum Hof orientierte Wohnküchen. Interessant ist die in einem Schrank eingebaute Spüle. Mit solchen Spülnischen versuchte man vielfach den Wohncharakter der Küche zu verstärken. Jede Wohnung hatte eine innenliegende Toilette. Eine Badewanne dagegen gab es nicht. Die Bewohner waren hier auf das im werkseigenen Badehaus vorhandene Angebot angewiesen.
Neben ihrer industriehistorischen Bedeutung verweist die Eisenbahnersiedlung in mehreren Aspekten auf zeitgenössische Elemente der besonders von den Baugenossenschaften realisierten Wohnungsreform in der Zeit um 1900. Die Wahl des mehrgeschossigen Mietwohnhauses als Wohnform war in dieser Zeit nicht mehr ungewöhnlich. Angestrebt wurde die Unterbringung einer möglichst großen Zahl von Wohnungen auf einem nur beschränkt zur Verfügung stehenden Flächenangebot in möglichst kurzer Entfernung zur Arbeitsstätte. Der Verzicht auf Hinterhofbebauungen und die Gestaltung der Blockinnenhöfe mit Grünflächen war wesentlicher Teil der Wohnungsreform.
Die Wahl der Haus- und Bebauungsform verweist auch die Zielsetzung eines urbanen Erscheinungsbildes in der Opladener Neustadt, ein Motiv, das auch in den benachbarten Siedlungen des Gemeinnützigen Bauvereins Opladen sichtbar wird.
Walter Buschmann
Ortsinformation:
Adalbertstraße, Bahnallee, Humboldtstraße, Karlstraße, Robert-Koch-Straße, Wilhelmstraße
51379 Leverkusen-Opladen