Eisenbahn-Ausbesserungswerk Opladen

Das Ausbesserungswerk Opladen erwies sich durch die im westdeutschen Raum zunehmenden Aufgaben für Wartung und Reparatur an Lokomotiven und Waggons als notwendig. Nach langwierigen Verhandlungen mit mehreren Städten und Gemeinden fiel die Standortwahl auf den Ort Opladen. Ausschlaggebend waren die gute Lage der ehemaligen Kreisstadt im Eisenbahnnetz und die preisgünstige Bereitstellung eines geeigneten Grundstücks durch die Stadt Opladen. 

Luftbild 1956. Quelle: Stadtarchiv Leverkusen

Das Ausbesserungswerk Opladen wurde 1899 durch Baurat Robert Meyer entworfen. Der Entwurf umfasste Lokomotiv- und Wagenwerkstatt. Bis 1903 entstanden in einem ersten Bauabschnitt die Lokomotivwerkstatt für 500 Lokomotiven aller Baugattungen. Eine zweite Lokhalle wurde direkt angebaut und 1904 fertig gestellt. 1907 konnte auch die Wagenwerkstatt in Betrieb genommen werden. 1908 waren in der Hauptwerkstatt Opladen schon 1825 Beschäftigte tätig. Die Werkstätten galten als Musteranlage.

Sehr früh entstand in Opladen das in Sichtweite zum Ausbesserungswerk seit 1902 errichtete Oberbau-Hauptlager mit einem großen Lagerplatz für Weichen, Schwellen, Schienen und Oberbaugerät. Während die Hallen des Oberhauptbaulagers bis heute erhalten geblieben sind, ist das aus einer Lokstation hervorgegangene, 1904 entstandene Bahnbetriebswerk inzwischen vollständig untergegangen.

Dieses Bahnbetriebswerk lag, ebenso wie die 1903 bis 1908 entstandene große Eisenbahnersiedlung auf der Ostseite der Gleisanlagen. Siedlung und Werk waren über die Gleisanlagen hinweg mit einer lang gestreckten Fußgängerbrücke verbunden. Auch die städtebauliche Entwicklung Opladens wurde durch die Zuwanderung der Eisenbahner deutlich geprägt. Opladen wurde Eisenbahnerstadt.

In den Jahren nach 1910 wurde das Ausbesserungswerk mehrfach erweitert. 1916 arbeiteten 2000 und 1918 sogar 3011 Beschäftigte in den Werkstätten. Mit der auf eine Denkschrift von 1920 zurückgehenden Neuordnung des Eisenbahn-Werkstättenwesens, erhielt auch die Anlage in Opladen seit 1922 die Bezeichnung Reichsbahn-Ausbesserungswerk (RWA). 1925 waren 2150 Personen im Werk beschäftigt.  

Lageplan Ausbesserungswerk Opladen, 1928. Quelle: Kaiß, Kurt: Das Eisenbahn-Ausbesserungswerk Opladen, Bd. 1 1903-1945, Leichlingen 2006

Nach der 1929 beginnenden Weltwirtschaftskrise und dem damit verbundenen Niedergang der deutschen Wirtschaft, entwickelte die Deutsche Reichsbahn ein Rationalisierungskonzept für ihre Ausbesserungswerke mit einer Konzentration der Lokomotivinstandsetzung in Westdeutschland an den Standorten Schwerte, Mülheim/Ruhr(Speldorf) und Jülich. Opladen erschien für die neu aufkommenden Einheitslokomotiven nicht geeignet. 1930 wurde daher die Lokreparatur aufgegeben. Auch die Triebwagen-Abteilung musste 1932 an das RAW Limburg abgegeben werden. Die Zahl der Beschäftigten sank auf einen Tiefstand von 1196 im Jahr 1932.

Entgegen der Entwicklung bei der Lokreparatur war die Wagenabteilung weiterhin gut ausgelastet. Mit dem Versuch, den Standort Opladen zu stärken wurden hier neue Tätigkeitsfelder angesiedelt. Repariert wurden seit 1933 Kleinlokomotiven, es entstand eine Motoren- und Kraftwagenabteilung und es wurden Hilfsgeräte für andere Ausbesserungswerke hergestellt. 1934 wurden in Opladen alle Kleinloks aus den Bereichen der Direktionen Essen, Köln, Trier und Wuppertal repariert, und 1938 war hier die zentrale Werkzeuginstandsetzung der Direktion Köln untergebracht. Schon 1936 waren wieder 1767 Beschäftigte in Opladen tätig.

Wie in allen Bereichen der Wirtschaft erlebte auch das Ausbesserungswerk Opladen im Krieg eine Scheinblüte durch Übernahme von Aufgaben für die Wehrmacht. Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter und Zivilinternierte aus ganz Europa wurden beschäftigt. Bei Fliegerangriffen auf das Werk fielen besonders in den Monaten von Dezember 1944 bis März 1945 insgesamt 236 Bomben auf das Werk.

Nach dem Wiederaufbau wurden in der nun als Bundesbahn-Ausbesserungswerk geführten Anlage mehrere Diesellokreihen und Kraftfahrzeuge (Omnibusse, Gelenkbusse, Schwerstlastfahrzeuge, Zugmaschinen) repariert. Zum Wahrzeichen des Wiederaufbaus wurde das neue, 1948 erbaute Kesselhaus.

Kesselhaus. Foto Willy Borgfeldt, 2021

Die wichtigste Triebfeder der weiteren Entwicklung wurden seit 1955 Elektrotriebwagen und vor allem seit 1959 Elektrolokomotiven. Dies wurde nun das ausschließliche Aufgabenfeld der Lokreparatur. Neben München-Freimann war Opladen in der Bundesrepublik Deutschland das einzige Werk, in dem Elektroloks gewartet wurden. Zudem profitierte Opladen von dem seit 1960 betriebenen Güterwagenumbauprogramm. Dagegen wurde die Erhaltung von Reisezugwagen aufgegeben.

Panoramabild mit dem Werkseingang an der Werkstättenstraße sowie Kesselhaus, Magazin und Wasserturm. Rechts im Vordergrund die Verwaltung, dahinter die Wagen-Werkstätte mit der Richthalle von 1964/65.

1980 gehörten 3000 Elektroloks zum Aufgabenfeld in Opladen, 1989 auch die ersten ICE-1-Lokomotiven. Mit der Vereinigung der beiden Deutschlands geriet Opladen jedoch, wie auch die anderen Standorte in Westdeutschland in Konkurrenz zu den ostdeutschen Werken. 1998 übernahm DB-Cargo den Standort und investierte 35 Mio DM. In Opladen wurden Güterzug-Elektrolokomotiven instand gesetzt. Doch schon drei Jahre später kam der Stilllegungsbeschluss. Die Deutsche Bundesbahn hatte die Stilllegung von acht ihrer 18 Ausbesserungswerke beschlossen. Opladen gehörte dazu. Auch anhaltende und heftige Proteste der Belegschaft einschließlich Hungerstreik konnte die Werksschließung zum 31. 12. 2003 nicht verhindern. 420 Arbeitsplätze gingen in Leverkusen-Opladen verloren.  

2005 wurde das Projekt „neue bahnstadt opladen“ in das Struktur-Förderprogramm Regionale 2010 aufgenommen. Auf der Grundlage eines städtebaulichen Wettbewerbs von 2006 entwickelt die zwei Jahre später gegründete 100%-ige Stadttochter „neue bahnhstadt opladen GmbH“  das Gebiet zu einem gemischten Stadtviertel mit Wohnen, Gewerbe, Bildung, Handel und Dienstleistungen. Größter Einzelnutzer ist die TH Köln. 24 Gebäude wurden seither abgebrochen, darunter auch komplett die Lokomotiv-Werkstätte. Eine neue Fußgängerbrücke über die Eisenbahntrasse Köln-Düsseldorf verbindet das Entwicklungsgebiet mit der Innenstadt von Opladen. Die Brücke ermöglicht zugleich den Zugang zu den Bahnsteigen des Bahnhofs Opladen.  

Der überlieferte Gebäudebestand des Ausbesserungswerks

Nur wenig noch ist von der Gesamtanlage dieser Eisenbahn-Fabrikstadt erlebbar. Dazu gehören beide Reparaturhallen für Lokomotiven und Wagen südlich und nördlich einer breiten Zone mit zentralen Einrichtungen mit Kesselhaus, Werksfeuerwehr, Magazin und Wasserturm. 

Das noch immer auffälligste Gebäude auf dem ehemaligen Werksareal ist das Kesselhaus von 1948. Das Backsteingebäude wird durch schmale, schlanke Fensterstreifen belichtet. Über dem flachen Satteldach (Dachneigung 5°) erhoben sich ursprünglich die Blechschornsteine der drei Kessel. Zwei dieser 1949 gefertigten Wanderrostkessel sind erhalten. Davon einer mit der originalen Kohlezuführung aus Stahlblechrutsche und Stahlbeton-Kohlebunker. Die Kessel sind in die nach dem Umbau hier realisierte Wohnnutzung einbezogen und weitgehend erhalten.

Fast vollständig erhaltener Kessel mit der Blechrutsche zur Aufgabe der Kohle auf den Wanderrost.  Foto Willy Borgfeldt, 2021

In diesem inzwischen mit Grünanlagen aufgelockerten Streifen mit zentralen Werkseinrichtungen ist dann das Ensemble aus Magazin und Wasserturm zu nennen. Das Werkstätten-Hauptmagazin von 1903 gehört zu den frühen Stahlbeton-Skelettbauten nach der 1892 patentierten Bauweise des Belgiers François Hennebique. An einigen Stellen ist diese damals revolutionäre Bauweise im Inneren noch zu sehen. Außen ist die Architektur eher konventionell mit verputzten Wandflächen und gliedernden Backstein-Wandvorlagen ausgebildet. Hervorgehoben sind die Giebeldreiecke mit Rundfenstern in den Dreieckszwickeln und Treppenfries unter dem Ortgang. Hauptmagazine waren ein wesentliches Mittel zur Rationalisierung der Arbeitsplatzversorgung mit Werkzeugen und Material. Berühmte Parallelbeispiele sind die Zentralmagazine der Bayerwerke Leverkusen und der Gutehoffnungshütte in Oberhausen. Letzteres wurde 1921-26 nach Entwurf von Peter Behrens errichtet. 

Haupt-Magazin. Foto Willy Borgfeldt, 2021

Zeitgleich mit dem Magazin entstand 1903 der Wasserturm mit einem in Ziegeln gemauerten Turmschaft und einem drauf aufsitzenden nach einem Patent von Otto Intze erbauten Wasserbehälter. Der aus Stahlblech erstellte Behälter wird eingehaust durch eine weiß gestrichene Konstruktion aus Stahlprofilen mit Putz-/Rabitzwandflächen. Diese den Behälter in einem Abstand von etwa 0,8m vorgehängte Schutzeinhausung ist mit dem Turmschaft durch eine weich geschwungene Kehle verbunden. Der Behälter wird durch ein Zeltdach mit Lüftungsaufsatz überdacht. Der Turm ist bis zur Traufe des Zeltdachs 25,0 Meter hoch. Der Wasserturm hatte auf drei Geschossebenen mit massiv ausgebildeten Kappendecken Brausen- und Wannenbäder und diente als Badeanlage für einen Teil der Beschäftigten. Der Turm wird heute mit einem eingeschossigen Anbau als Vereinshaus eines Leverkusener Karnevalsvereins genutzt.

Wasserturm und Hauptmagazin im Hintergrund. Foto Willy Borgfeldt, 2021

Der Zone mit den zentralen Einrichtungen noch am Rande zugeordnet ist die Zeichen-Werkstatt und die Feuerwache. Während die Zeichen-Werkstatt noch das Bild der Backstein-Zweckarchitektur aus der Gründungszeit des Werks bietet, ist die Feuerwache mit dem prägnanten Schlauchturm in den 1930er Jahre überformt worden.

Zeichen-Werkstatt. Foto Willy Borgfeldt, 2021
Feuerwache mit Schlauchturm. Foto Walter Buschmann, 2000

Nach Abbruch der Lokomotivreparatur war und ist der aus historischer Sicht funktional wichtigste, fragmentarisch erhaltene Bau die Wagenreparatur. Einige erhaltene Backsteingiebel vermitteln noch einen Eindruck der 1904 entstandenen Zweckarchitektur. Die 12-schiffige Halle überdeckte eine Grundfläche von 32.000 qm. Die Halle wurde mehrfach an wechselnde Anforderungen aus der Produktion baulich angepasst. Wichtig auch in der Werks-Agenda war der Bau der neuen Richthalle für elektrische Lokomotiven 1964 bis 1965. Der in der Abfolge der Giebel deutlich hervorstechende, großflächig verglaste Rechteckgiebel verdeutlicht die positive Aufbruchsstimmung jener Jahre. An die zur Erhaltung vorgesehenen Hallengiebel und –konstruktionen schließen sich die Neubauten der TH Köln an.

Wagen-Werkstätte mit den erhaltenen Giebeln. Foto Willy Borgfeldt, 2021

Im räumlichen Kontext der Wagenreparatur befinden sich südöstlich davon die Hallenschiffe des schon 1902 eröffneten Oberbau-Hauptlagers. Opladen soll 1914 das wichtigste Lager dieser Art für Schienen, Weichen, Schwellen Befestigungsmaterial etc. in Preußen gewesen sein. In den Hallen wurde das Material auch bearbeitet, z. B. konnten Schienen gekürzt und Weichen entsprechend den Anforderungen vor Ort vorgerichtet werden.

Oberbau-Hauptlager. Foto Walter Buschmann, 2020

Entlang der Werkstättenstrasse erstrecken sich parallel zu den Giebeln der Wagenreparatur Gebäude für Verwaltung, Lehrlingswerkstatt und Sozialräume. Das ehemalige Verwaltungsgebäude ist mit einem Kopfbau und einer Aufstockung stark überformt, entsprach aber schon in der Nachkriegszeit nicht mehr der ursprünglichen Ausbildung.

Verwaltung mit Anbau. Foto Walter Buschmann, 2020

Am Ende dieser Gebäudereihe befindet sich das von dem Architekten Peter Klotzbach 1907 entworfene Ledigenwohnheim. Der Putzbau mit Backsteinsockel und lebhafter Dachlandschaft bot Unterkunft für 72 Bewohner in Ein- bis Vierbett-Zimmern. Ein großer Speisesaal für bis zu 170 Personen ermöglichte auch Verpflegung für außerhalb des Wohnheims lebende Arbeiter. 

Ledigen-Wohnheim. Foto Willy Borgfeldt, 2021
Grundriss Ledigen-Wohnheim. Quelle: Kaiß, Kurt: Das Eisenbahn-Ausbesserungswerk Opladen, Bd. 1 1903-1945, Leichlingen 2006

Vier schon ab 1901 errichtete Eisenbahner-Wohnhäuser im nördlichen Abschnitt der Werkstättenstraße (Nr. 5, 9/11, 13/15 und 17) vermitteln einen Eindruck arbeitsplatznaher Unterkunftsangebot in unmittelbarer Nachbarschaft der leider nicht erhaltenen Lokomotiv-Werkstätte.

Trotz der Reduktionen ist das Ausbesserungswerk Opladen auch im Vergleich mit den Nachbarwerken in Krefeld-Oppum und Jülich immer noch ein aussagekräftiges Beispiel für die Gattung der Ausbesserungswerke mit ihren jeweils mehrere 1000 Arbeiter umfassenden Belegschaften.

Walter Buschmann

Literatur

  • 25-jährige Geschichte des Reichsbahn-Ausbesserungswerks Opladen, unveröffentlicht
  • Ein halbes Jahrhundert AW Opladen. Festschrift 50 Jahre Bundesbahn-Ausbesserungswerk Opladen, Darmstadt 1953
  • 75 Jahre Bundesbahn-Ausbesserungswerk Opladen 1903-1978, Leverkusen 1978
  • Buddensiek, Heinrich/ Biebrach, Hans-Jürgen/ Tietze, Christian u. a.: 75 Jahre Bundesbahn-Ausbesserungswerk Opladen 1903-1978, Leverkusen 1978
  • Buddensiek, Heinrich: 75 Jahre AW Opladen, in: 75 Jahre Bundesbahn-Ausbesserungswerk Opladen 1903-1978, Leverkusen 1978, S. 11-27
  • Kaiß, Kurt: Das Bahnbetriebswerk Opladen (Rheinisch-Bergische Eisenbahngeschichte Heft 4), Leverkusen 2002
  • Kaiß, Kurt: Das Eisenbahn-Ausbesserungswerk Opladen, Bd. 1 1903-1945, Leichlingen 2006
  • Kaiß, Kurt: Das Eisenbahn-Ausbesserungswerk Opladen, Bd. 2 1945-2003, Leichlingen 20011
  • Meyer, R.: Die Lokomotiv-Ausbesserungs-Werkstatt zu Opladen, in: Organ für die Fortschritte des Eisenbahnwesens, 1904
  • Müller: Neuere Eisenbahnwerkstätten. Hauptwerkstätte Opladen, in: Verkehrstechnische Woche Nr. 52, 1907
  • Schwarzer: Innere Einrichtung und Betrieb des Werkstätten-Hauptmagazins Opladen, in: Glasers Annalen für Bewerbe und Bauwesen 1908, No. 742, S. 205ff
  • Werkblatt / Werkszeitschrift des Reichsbahnausbesserungswerks Opladen, Jg. 1-17, 1928-1944