Caspers-Neess, Kaufmannshaus und Tabakfabrik

Der unmittelbar am Hitdorfer Hafen gelegene Kaufmannshof mit seinen beiden barocken Giebelhäusern geht auf das Jahr 1666 zurück. Im späten 18. Jahrhundert eröffneten die Gebrüder Caspers hier ihre Rauchtabak- und Zigarrenfabrik, die unter Leitung der Familie Neehs bis Mitte des 20. Jahrhunderts existierte und die größte der Stadt war.

Von dem großen Fabrik-Backsteinbau sind keine Reste erhalten. Die Hofgebäude hinter den Giebelhäusern dürften aber auch der Produktion gedient haben. Das nach einem Brand in den 1970er Jahren sorgfältig restaurierte Anwesen mit reicher Stuckdecke im Erdgeschoss des Haupthauses dient heute als Galerie und Gästehaus.


Zu den im bergischen Hafen Hitdorf umgeschlagenen Waren gehörte vermutlich schon seit dem 17. Jahrhundert auch der Tabak. Häufig waren es niederländische Kaufmannsfamilien, die den Export bergischer Produkte wie auch die Einfuhr von Genussmitteln und anderen Waren organisierten und schrittweise auch deren Verarbeitung übernahmen. Die 1765 begründeten Rauchtabakfabrik der Familie Dorff (nach dem niederländischen „van Dorp“) war das älteste Unternehmen dieser Art. Die Herrschaft der Kurfürsten der Pfalz über das Herzogtum Berg schuf eine Verbindung zum pfälzischen Tabakanbaugebiet, dessen Rohmaterialien mit importierten Beständen gemischt wurden.

Die Firma Gebr. Caspers in der Rheinstraße 54 führte sich auf das Jahr 1796 zurück und war nach der Firma Dorff (1764) die zweite Tabakfabrik in Hitdorf. Eine erste Nennung des Unternehmens findet sich allerdings erst 1818. Mit der Marke „Schwarzer Hitdorfer“ versuchte man an den Ruf der Firma Dorff und ihres „Schwarzen Dorps“ anzuknüpfen. Stephan Caspers (1819-1877) leitete die Tabak- und Zigarrenfabrik Gebr. Caspers erfolgreich und gehörte zu den angesehensten Bürgern Hitdorfs, gefolgt von seinem Sohn Heinrich Josef Hubert Caspers (1848-1905), dessen Witwe Margrit Berg den Betrieb weiterführte.

Es folgten ihre Neffen, die Söhne des Kölner Tabak-Kaufmann Heinrich Neess, der mit der Schwester Josef Caspers‘ verheiratet war. Auf die Initiative der Familie Neess soll auch der Bau einer Arbeitersiedlung, der „Caspers-Hüser“ für angeworbene Facharbeiter bzw. die Stammbelegschaft im Jahre 1910 zurückgehen.

Briefkopf der Tabakfirma Caspars-Nees, um1930. Quelle: Stadtarchiv Monheim

Um diese Zeit waren in mehreren Hitdorfer Betrieben insgesamt 90 Personen mit der Tabakverarbeitung beschäftigt. Bis 1931 betrieb das Unternehmen als Zigarrenfabrik auch eine Filiale in Ilvesheim unweit des Tabakzentrums Mannheim. Ferdinand Neess, einer der Brüder, war verheiratet mit Madeleine Werhahn (1877-1965) aus Neuss, die bis zu ihrem Tod in Hitdorf lebte. Nachdem bereits 1918 die Zigarrenproduktion eingestellt werden musste, wurde das Unternehmen 1953 vollständig liquidiert. Das Inventar ging an die Firma Dorff, die allerdings ebenfalls schon 1964 den Betrieb aufgab. 1

Kaufmannshaus und Tabakfabrik Rheinstraße 54
Angesiedelt in einem auf das Jahr 1666 zurückgehenden alten Kaufmannshof der Familie Caspers, gruppierten sich die Betriebsgebäude um den landseitig anschließenden Hof. Das Anwesen Caspers-Neess in der Rheinstraße 54 besteht aus zwei durch einen Quertrakt verbundenen giebelständigen barocken Baukörpern, von denen der nördlich unmittelbar an die Straße grenzende als Hauptgebäude gelten kann. Der südliche Giebelbau ist stark zurückgesetzt; zwischen beiden Längsbauten befindet sich im Quertrakt der Haupteingang mit einer Wappentafel mit dem Baudatum. Nach Osten ist ein weiterer, zwei Achsen tiefer Baukörper angesetzt.

HausCaspers-Neess. Ansicht von Westen. Foto: Willy Borgfeldt, 2021
Eingang zum Haus Caspars-Nees mit Familienwappen Caspers-Neess. Foto: Willy Borgfeldt, 2021

Dem massiv gemauerten Hauptgebäude dürfte das Baudatum 1666 zuzuordnen sein. Beide giebelständigen Bauten haben zum Rhein hin drei Fensterachsen mit leicht hochrechteckigen, durch Stichbogen geschlossenen Öffnungen, die allerdings nicht gleichmäßig auf der Fläche verteilt sind. Im Giebelfeld befinden sich ein bzw. zwei weitere Fenster. Die Längsseiten weisen nur wenige Fenster auf. Die Ziegeldächer sind an der Giebelseite mit einem Schopfwalm versehen und kragen nur wenig über die Wände aus; Dachöffnungen gibt es an den Außenseiten keine.

Prachtvollster Raum des Haupthauses ist das zum Rhein hin gelegene Erdgeschoss, in dem sich eine „Kölner Decke“, d. h. eine dekorativ verputzte Balkendecke befindet. Die Treppenanlage ist jüngeren Datums, wie auch zahlreiche andere Details überwiegend auf Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen des 18. bis 20. Jahrhunderts zurückgehen.

Erdgeschoss mit Kölner Decke. Foto: Willy Borgfeldt, 2021

Das Kaufmannshaus in der Rheinstraße wurde am 17./18. Juli 1961 durch einen Dachstuhlbrand beschädigt und der Fachwerkgiebel erneuert; die durch Löschwasser stark in Mitleidenschaft gezogene Innenausstattung musste danach restauriert werden. Heute ist in dem Anwesen ein Gästehaus mit Kunstgalerie untergebracht.

In dem an die Vordergebäude angrenzenden Hof sind Produktionsbauten der ehemaligen Tabakfabrik erhalten. Die Anlage ist ähnlich organisiert wie die Zündholzfabrik Salm, hier allerdings mit einem vollständig von Produktionsbauten umstandenen, länglichen Hof. Während die Südseite des Hofes durch den zurückgesetzten Bauteil sowie einen anschließenden, massiven zweigeschossigen Hofflügel begrenzt wird, ist die Ostseite eingeschossig ausgeführt, wobei das längsgerichtete Satteldach an der Hofseite auf Stützen ruht und einen überdachten Gang freilässt. Am Anfang dieses Ganges befindet sich eine Wasserpumpe. Nach Osten ist der Hof durch einen Querflügel geschlossen, der Platz für ein großes Hoftor lässt.

Innenhof des Hauses Caspar-Nees. Foto: Willy Borgfeldt, 2021

Nördlich des bebauten Hofes und der anschließenden großen Hallen (heute Autowerkstatt) erstreckte sich der bis zur Hitdorfer (früher: Stephanus-)Straße reichende Privatgarten der Familie, in dem sich unter anderem ein ausgeschmückter Gartenpavillon befand.

Als über mehrere Jahrhunderte gewachsenes Kaufmannsanwesen mit Wohn- und Kontorgebäude, Hof, Garten und Wirtschaftsflügeln dokumentiert das Haus Caspers-Neess Wirtschaft, Kultur- und Sozialgeschichte des bergischen Rheinhafens Hitdorf mit seiner durch die Kaufmannsfamilien wesentlich mitgeprägten Geschichte. Sie belegen die vielfältige Entwicklung des flussbasierten Handels und seiner Umschlagplätze und die damit verbundenen familiären Verflechtungen.

Alexander Kierdorf

Ortsinformation:

Rheinstraße 54
51371 Leverkusen (Hitdorf)

Literatur / Quellen:

  • Boerner, August: Kölner Tabakhandel und Tabakgewerbe 1628-1910, Essen 1912
  • Terpoorten, Otto: Die wirtschaftliche Entwicklung der niederrheinischen Tabakindustrie seit ihrer Entstehung (Diss.), Goch 1929
  • Hinrichs, Fritz: Hitdorf am Rhein. Chronik eines bergischen Hafens, Leverkusen (Opladen) 1957 Hitdorf
  • Schäfke, Werner; Kölnisches Stadtmuseum: Blauer Dunst: vier Jahrhunderte Tabak in Köln (Ausst.-Kat.), Köln 1984
  • Bilz, Fritz: Das Tabakgewerbe in und um Köln bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, in: Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins, Jg. 72, 2001, S. 159-172
  • KulturStadtLev, Stadtarchiv (hg.): Leverkusen – Geschichte einer Stadt am Rhein, Bielefeld 2005
  • Behrendt, Astrid: Spaziergang durch das alte Hitdorf, Leverkusen (2)2020