Siedlung Heidehöhe

Im Auftrag der Gemeinde Wiesdorf wurde bereits in der Endphase des Ersten Weltkriegs 1918 eine Kleinwohnungsanlage projektiert, die mit knapp 90 Wohneinheiten unterschiedlicher Größe sowohl Kriegsheimkehrern als auch anderen Wohnungssuchenden Unterkunft bieten sollte.

Die in mehreren Zeilen angeordneten Reihen- und Mehrfamilienhäuser gruppieren sich um einen rechteckigen, teils geöffneten Hof und sind umgeben von Nutzgärten. Architekt Wilhelm Fähler sorgte durch moderne Bautechniken und normierte Elemente für geringe Baukosten.


Geschichte

Bereits im Sommer 1918 entwarf der in kommunalen Diensten bei der heute zu Leverkusen gehörenden Gemeinde Wiesdorf stehende Architekt Wilhelm Fähler für den neugegründeten Gemeinnützigen Bauverein Manfort/Wiesdorf eine kompakte Kleinwohnungsanlage.

Anlass war die Versorgung der aus dem zu Ende gehenden Ersten Weltkrieg zurückkehrenden Soldaten und ihrer Familien. Schon früh waren während des Krieges erste Überlegungen zur Versorgung der Kriegsheimkehrer, insbesondere auch der Versehrten angestellt worden. Die Hungerkrisen während der letzten Kriegsjahre sowie die zu erwartende Welle von Familiengründungen durch die heimkehrenden Soldaten sowie die absehbar schwierige wirtschaftliche Lage beeinflussten die Gestaltung zunehmend. Aspekte wie Selbstversorgung, sparsamste Wohnungsgrundrisse sowie neue, rationale Bauweisen prägten die Planung und Gestaltung.

Die Siedlung erhielt bei einheitlicher Gestaltung verschiedene Haus- und Wohnungstypen. Noch während der Planung wurde Rücksicht auf die zu erwartenden Familiengrößen genommen, indem mehr Wohnungen für Großfamilien errichtet wurden. Die Lage an der Kalkstraße etwa in der Mitte zwischen den Manforter Großunternehmen Dynamit Nobel AG und Theodor Wuppermann ermöglichte günstige Verbindungen zu beiden Betrieben.

Als die Siedlung 1919-21 schließlich ausgeführt wurde, hatte sich in der Weimarer Republik auf Landesebene wie in den kommunalen Gremien erstmals die Sozialdemokratie als wesentliche Kraft durchgesetzt. Sie stellte die Linderung der Wohnungsnot und den Aufbau einer ausreichenden staatlichen Sozialpolitik in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen.

Statt der provisorischen Unterbringung arbeits- und wohnungsloser Personen und Familien oder der Duldung von slumartigen Selbsthilfesiedlungen bemühte sich auch die Wiesdorfer Verwaltung um eine dauerhafte Unterbringung in soliden Unterkünften, die allerdings im Besitz der Kommune verblieben.
Bis in die 1960er Jahre verband eine Straßenbahnlinie die Siedlung mit Manfort und dem Wiesdorfer Zentrum. Im Nordostflügel der Siedlung befand sich ein Lebensmittelgeschäft.

Die Topographische Karte von 1927 zeigt den räumlichen Bezug zwischen der Siedlung und den benachbarten Orten Manfort und Schlebusch. Quelle: Katasteramt der Stadt Leverkusen 
Durchgang zu den hinter der Hauszeile am Vorplatz anschließenden Wohnhäusern mit Laden. Foto: Willy Borgfeldt / Leverkusen, 2021

Im Vorgriff auf die anschließende Sanierung wurde die Siedlung Anfang 1994 unter Denkmalschutz gestellt. Grundlage dafür bildete die bereits 1987 in der Dissertation von Brigitte Selbach veröffentlichte ausführliche Beschreibung und Historie. Nach der das einheitliche Erscheinungsbild wiederherstellenden Sanierung, bei der man einen Teil der kleineren Wohneinheiten bzw. Häuser zusammenlegte, wurden Häuser und Wohnungen durch den späteren Eigentümer, die städtische Wohnungsgesellschaft Leverkusen, an private Interessenten bzw. die langjährigen Bewohner verkauft.

Der während des Zweiten Weltkriegs neben der Siedlung errichtete Hochbunker wurde 2005 abgebrochen und durch Wohnungsneubauten ersetzt.

Beschreibung

Die (ursprünglich) ca. 80 Wohneinheiten umfassende Anlage besteht auf einem rechteckigen Wohnhof, an dessen Ecken kürzere Flügel angesetzt sind. Zum Vorplatz an der Kalkstraße, der zugleich Wendeschleife der Straßenbahn war, entstand so eine breite, symmetrische Front mit vorspringenden Seitenflügeln. An der Westseite sind dieser Front Gärten vorgelagert. Auf der Westseite ist dem Hof eine weitere, in fünf vor- und zurückspringende Abschnitte unterteilte Hauszeile vorgelegt.

Die Siedlung Heidehöhe aus der Vogelschau. Zeichnung von Wilhelm Fähler, 1918. Leicht angedeutet ist ein Vorplatz vor der unteren Hauszeile. Quelle: Stadtarchiv Leverkusen, Nachlass Fähler

Die zweigeschossigen, einheitlich verputzten und durchfensterten Baukörper (Wände aus Schwemmstein) sind mit zusammenhängenden Walmdächern mit roten Ziegeln gedeckt. Türen und Fensterläden sind aus Holz und grün gestrichen. Vier große, halbrund geschlossene Durchgänge führen in den inneren Ecken der Hauptfassaden durch den Innenhof und erschließen die nach Norden und Süden ausgerichteten Hauseinheiten. Diese sind damit nur fußläufig erreichbar.

Hauszeile am Vorplatz. Foto: Willy Borgfeldt / Leverkusen, 2021
Zwei rundbogige Tordurchgänge führen in den Hof hinter der Zeile am Vorplatz. Foto: Willy Borgfeldt / Leverkusen, 2021

Der Grundriss des einfachsten Haustyps mit ca. 40 qm Grundfläche weist eine einläufige Treppe unmittelbar hinter der Eingangstür und dem Zugang zum Hauptwohnraum auf. Durch letzteren erreicht man die kleine Küche und das WC sowie den Gartenzugang. Im Obergeschoss befinden sich zwei Schlafzimmer, die ohne Korridor miteinander verbunden sind.

Durch Verzicht auf ein Treppenhaus und Flure wird der Raum rationell genutzt; Nachteil sind die so entstehenden Durchgangsräume.
Jede Hauseinheit und Wohnung verfügt über eine Gartenparzelle, die der Selbstversorgung diente und in der Folge häufig mit Schuppen und Ställen bebaut wurde.

Hausgärten im Innenhof der Anlage. Foto: Willy Borgfeldt / Leverkusen, 2021

An den Eingangsfassaden der Seitenflügel sowie den seitlichen Häusern innerhalb des Hofes sind über den Eingangstüren verschiedene, sich aber mehrfach wiederholende Reliefs angebracht. Zum einen handelt es sich um flache, sechseckige Reliefsteine mit Stern- und Bandmustern, zum anderen um plastische Reliefs des Heiligen Martin sowie einer von zwei Männern getragenen überdimensionalen Weintraube.

Als Symbol der Barmherzigkeit und Nächstenliebe steht der Heilige Martin für das neuzeitliche Christentum, während die sogenannte Kalebstraube im Buch Mose des Alten Testaments Wohlstand und Überfluss symbolisiert, den das Volk Israel nach dem Auszug aus Ägypten und der 40jährigen Odyssee im Heiligen Land vorfand.

Alexander Kierdorf

Reliefsteine über den Haustüren. Foto: Willy Borgfeldt / Leverkusen, 2021

www.leverkusen.com/denkmal/index.php?view=259 (29. 11. 2021)

Ortsinformation:

Heidehöhe 1-80
51373 Leverkusen

Literatur und Quellen

  • Selbach, Brigitte: Kleinwohnungsbau und Siedlungsplanung 1914-1930. Zur Umsetzung staatlicher Wohnungspolitik auf kommunaler Ebene. Das Beispiel Leverkusen, Diss. TH Aachen 1987, S. 121-130
  • Fromm, Veridiana: Werk und Vita des Architekten Wilhelm Fähler, in: Bergischer Geschichtsverein, Abt. Niederwupper (hg.): Niederwupper – Historische Beiträge 19, 2001/2002, S. 27-43
  • Pufke, Andrea (hg.): Siedlungen in Nordrhein-Westfalen: Rheinschiene, Bd. 2: Königswinter bis Wuppertal, Petersberg 2021, S. 1009-1013
  • LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, Gutachterliche Stellungnahme zum Denkmalwert der Genossenschaftssiedlung Heidehöhe vom 20.04.1993 (Barbara Fischer)