Mineralölwerke Rhenania

Bisher war die Verarbeitung von Rohöl in Küstennähe üblich, als 1913 nahe am Verbraucher, in Mohnheim am Rhein, ein Werk zur Verarbeitung von Rohöl zu Schmierölen entstand.

Das Werk war für die Versorgung mit Schmieröl im Zweiten Weltkrieg kriegswichtig. Trotz großer Zerstörungen durch Bombardements der Alliierten sind aus der Entstehungszeit des Mineralölwerks Rhenania ein Verwaltungsgebäude und die Abfüllhalle in Monheim erhalten.

Eigentümer im Hintergrund war die Royal Dutch Shell, einer der größten Mineralölkonzerne der Welt. Der Beginn des Automobilzeitalters und des CO2-intensiven Geschäftsmodells der globalen Mineralölindustrie kann in Monheim anhand der Gebäude des Rhenania Mineralölwerks nachvollzogen werden.


Hintergrund

Der Beginn des Automobilen Zeitalters ist ohne die Erzeugung, den Handel und die Verteilung von Mineralölen nicht denkbar. Neben den europäischen Küstenstandorten und in Deutschland dem Standort Berlin wurde auch der Rhein als Verteilweg für Mineralölkonzerne immer interessanter.

Entwicklung

  • Um 1900 begann die „Königlich Niederländischen Petroleum Gesellschaft“ (N.V. Koninklijke Nederlandse Petroleum Maatschappij) unter dem industriellen Henri Deterding aus Den Haag im Rotterdamer Hafen ein eigenes Rohöllager mit zwei Tanks aufzubauen, um die bisherige Monopolstellung des größeren Rivalen „Standard Oil“ in Deutschland zu öffnen.
  • 1902 wurden die Mineralölwerke Rhenania GmbH in Düsseldorf-Reisholz indirekt über deutsche Vertraute gegründet, im Hintergrund aber die Königlich Niederländische Petroleum Gesellschaft und die Firma van Ommeren aus Rotterdam.
  • Den Transport von Mineralöl auf dem Rhein übernahm seit 1903 van Ommeren Binnentankvaart, das vermutlich als erstes Unternehmen Mineralöle über den Rhein transportierte. Eingesetzt wurde der 744t schwere Binnentanker Rhenania. Siehe auch Unternehmensgeschichte von Vopak und Interstream-Barging.

Shell

1907 schloss sich die niederländische Königlich Niederländische Petroleum Gesellschaft mit der britischen Firma Shell Transport and Trading Co. zusammen. Es entstand daraus die Royal Dutch Shell Gruppe, deren deutschen Zweig die Rhenania darstellte.

Mohnheim

1913 entstand die Rhenania Schmierölraffinerie in Mohnheim

1917 wurde die Rhenania Benzinfabrik in Reissholz, die Rhenania Schmierölraffinerie in Mohnheim zur „Mineralölwerke Rhenania Aktiengesellschaft“ zusammengeschlossen.

Ölwerke Stern-Sonneborn

Während des Ersten Weltkrieges beteiligte sich die „Rhenania“ an den „Ölwerken Stern-Sonneborn“ (Ossag) mit Standorten u.A. in Köln-Sülz (Rheinische Fett- und Vaselinefabrik) und in Hamburg.

1925 fusionierten Rhenania und Ossag als „Rhenania-Ossag Mineralölwerke AG“. Die Rhenania-Ossag produzierte Benzin für den Verbrauch in Deutschland und in den Niederlanden.

1933 erfolgte die Arisierung mit der Entlassung aller jüdischen Aufsichtsratsmitglieder (Stern, Sonneborn), den Vorgesetzten und Mitarbeitern, noch vor den institutionalisierten Arisierungen in der NS-Herrschaft.

1935 hatte die Rhenania das zweitgrößte deutsche Tankstellennetz aufgebaut.

Zweiter Weltkrieg

Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Rhenania-Ossag (gehörend der „Royal Dutch Shell“) als „deutsches Unternehmen“ eingestuft.

Die Rhenania-Ossag produzierte Treibstoff auch für den zivilen Verbrauch, insbesondere aber für die deutsche Wehrmacht und die Luftwaffe.

Sie war unter Robert Finn für die „deutsche Schmierölversorgung“ verantwortlich, agierte als Rüstungsunternehmen und erhielt bevorzugt Rohstoffe, bis die Produktion durch die Bombenangriffe der Alliierten zerstört wurde. Siehe Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg

Nachkriegszeit

1947 wird die Rhenania-Ossag zur „Deutsche Shell AG“.

Quelle und weiterführend: https://de.wikipedia.org/wiki/Rhenania-Ossag


Mineralölwerke Rhenania in Monheim

Für das neue Mineralöl Unternehmen „Rhenania“ entstand 1913 ein weiteres Werk in Monheim, für das ein unmittelbar am Rhein gelegenes Grundstück im Norden von Monheim erworben wurde.

Das Werk war mit einem neu entwickelten Verfahren für eine Produktion von 80.000 t Schmierölen pro Jahr angelegt, nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Produktion durch Technisierung und Automatisierung um ein Vielfaches erhöht. Die Rohöle wurden mit dem Schiff geliefert, in Destillationsblasen und Raffinationsanlagen zu Schmierölen verarbeitet, in der Abfüllhalle untereinander und mit Fremdstoffen gemischt und in Fässer abgefüllt.

Von der unmittelbar am Rhein stehenden Abfüllhalle erfolgte der Abtransport der Produkte mit dem Schiff, mit der Bahn und später zunehmend mit dem LKW. Von der Halle zum Schiffsanleger gab es eine Elektrohängebahn (sog. Bleichertbahn). Wagons wurden auf der Westseite der Halle beladen, LKWs auf der Südseite der jüngeren Südhalle. Das Werk wurde Ende 1987 stillgelegt.

Luftbild der Werksanlage. Die Abfüllhalle ist links zu sehen mit Bleichertbahn, einem Lagergebäude und Rheinkai. Quelle: Heimatbund Monheim

Verwaltungsgebäude der Mineralölwerke Rhenania

Rückwärtige Ansicht mit späterem Anbau. Foto nach 1939. Quelle: Heimatbund Monheim

Das Verwaltungsgebäude war 1913 nach Plänen des Architekten Marquard als „Portalgebäude für Pförtner, Arbeiteraufenthaltsraum und Meisterwohnung“ geplant und wurde in einfacheren Detailformen und einem rückwärtigen Seitenflügel für Büros nach den Plänen des Düsseldorfer Architekten Walter Furthmann ausgeführt; Furthmann wurde mit Bauten für die Firma Henkel bekannt.

Verwaltungsgebäude 2022. Foto: Willy Borgfeldt

Das Verwaltungsgebäude ist ein zweigeschossiger Ziegelbau mit Walmdach und einem Uhrenturm. Die Hauptfassade (Südseite) weist zwei zweigeschossige, polygonale Vorbauten auf, über denen Zwerchhäuser mit geschweiften Hauben angeordnet sind.

Auf der Rückseite stehen zwei dreigeschossige risalitartige Vorbauten mit Walmdächern. Ursprünglich befand sich zwischen den Vorbauten ein dreischiffiger Durchgang, in der Mitte für Fahrzeuge, seitlich für Fußgänger. Dieser wurde 1939 zugemauert. Die Straße zum Werksgelände führte bereits 1934 westlich am Gebäude vorbei. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Grundfläche des Seitenflügels vergrößert; die ursprüngliche Größe ist noch am Ziegelmauerwerk ablesbar. Von einem nachträglich angefügten eingeschossigen, sich L-förmig von der West- bis auf die Nordseite ziehenden Anbau ist der nördliche Teil verblieben.

Das Verwaltungsgebäude wurde am 23.12.1997 als Baudenkmal eingetragen. In der dem Gutachten des LVR entnommenen Denkmalbegründung heißt es: 

Das Verwaltungsgebäude greift mit dem Uhrenturm einen für die Industriegeschichte allgemeingültigen Topos auf. Uhren gemahnten die Belegschaft an der Nahtstelle von öffentlichem Raum und Werksgelände zur Einhaltung der Arbeitszeiten und zur Pünktlichkeit. Sie verweisen auf die erst durch den Fabrikbetrieb vollzogene Parzellierung des Alltages, die uns gegenwärtig geradezu als naturgegeben erscheint. Weiterhin verdeutlicht das Verwaltungsgebäude Anfang und Ende des Werksgeländes und formuliert mit dem Werkstor einen sozialgeschichtlich bedeutsamen Ort“.

Uhrenturm auf dem Verwaltungsgebäude. Foto: Willy Borgfeldt, 2022

Abfüllhalle der Mineralölwerke Rhenania

Die Abfüllhalle wurde 1914/15 nach Plänen von Architekt Walter Furthmann errichtet. Sie setzt sich eigentlich aus vier Hallen zusammen: der sich in Nord-Süd-Richtung erstreckenden, etwa 40 x 99 m großen und 10,50 m hohen Haupthalle und kleineren Nebenhallen, einer Halle auf der Ost- und einer auf der Nordseite sowie einer nachträglich zwischen 1924 und 1932 auf der Südseite angefügten Halle.

Abfüllhalle und die Gleise der Eisenbahnverladung mit Kesselwagen. Über die Gleise und Züge hinweg führt eine Bleichertbahn zu einem Lagergebäude an Rheinkai. Foto 1953. Quelle: Heimatbund Monheim

Die Eisenbetonkonstruktionen der drei älteren Hallen wurden mit großer Wahrscheinlichkeit vom Bauunternehmen Wayss & Freytag errichtet. Vier Schiffe der Haupthalle werden von Zweigelenkrahmen, bestehend aus im Grundriss rechteckigen, sich nach oben verbreiternden Stützen und satteldachförmig geknickten Trägern überspannt, in zwei Schiffen sind Kragträger vorhanden.

Diese und die Zweigelenkrahmen tragen Pfetten und Deckenplatten, die jeweils 1/3 der Schiffbreite überdecken. Der mittlere Deckenabschnitt ist mit Belichtungsraupen über die gesamte Schiffslänge verglast.

Abfüllhalle, innen. Schwere Betonbinder überspannen die Hallenschiffe. Neben den Fenstern in den Außenwänden wird die Halle von satteldachförmigen Belichtungsraupen über dem First erhellt. Foto: Willy Borgfeldt, 2022

Die Fassaden bestehen aus Ziegelmauerwerk. In der Ost- und der zum Rhein ausgerichteten Westfassade der Haupthalle ist die Schiffseinteilung ablesbar: Vor jedem Schiff steht das gleiche Fassadenelement mit einer Erdgeschosszone, einer Attika mit Abschlussgesims und einem Giebeldreieck, hinter dem sich eine Belichtungsraupe der Halle verbirgt.

Jedes Fassadenelement hat vier Fenster bzw. Türen mit segmentbogigen Stürzen und ein Lünettfenster in der Attika. Mit Lisenen werden die beiden mittleren Öffnungen zusammengefasst. Die jeweils äußeren Lisenen stehen mit geringem Abstand zu denen der benachbarten Fassadenelemente. Zwischen diesen Lisenen befindet sich in der Attika eine Öffnung für die Entwässerung des dahinter liegenden Daches. Gesims, Gebälk und Giebel sind mit wechselnden Läufer- und Binderschichten und mit Klötzchenfriesen gestaltet. Das Fassadenmotiv wiederholt sich in der Nord- und in der Südwand der Osthalle.

Fassade zur Rheinseite mit vorgelagerter Rampe. Foto: Willy Borgfeldt, 2021
Fassaden zur Werksseite. Foto: Willy Borgfeldt, 2021

Die Abfüllhalle wurden am 23.12.1997 als Baudenkmale eingetragen. In der Denkmalbegründung heißt es:

Das Werk Monheim der Deutschen Shell AG gehört zur Geschichte der erdölverarbeitenden Industrie in Deutschland. Die industriegeschichtliche Bedeutung des Werkes resultiert aus dem Pioniercharakter dieser schmierölproduzierenden Anlage, die Vorbildcharakter hatte. Verwaltungs- und Abfüllgebäude sind in einer qualitätvollen Industriearchitektur von dem bekannten Düsseldorfer Architekten Furthmann erstellt worden (vgl. Verwaltungsgebäude Fa. Henkel/Düsseldorf)“.

Schließlich prägte das Werk als einer der großen örtlichen Arbeitgeber wesentlich die Ortsgeschichte von Monheim.“

Maren Lüpnitz

Ort:

Rheinpromenade 2,
40789 Monheim am Rhein

Quellen und Literatur

  • Buschmann, Walter (18.1.1995): Gutachterliche Stellungnahme zum Denkmalwert, LVR Rheinisches Amt für Denkmalpflege.
  • Flieger, Heinz (1961): Unter der gelben Muschel. Die Geschichte der Deutschen Shell, Düsseldorf.
  • Hinrichs, Fritz (1962): Von der alten Freiheit zur jungen Industriestadt. Monheim in wirtschafts- und verwaltungsgeschichtlicher Sicht, Monheim, S. 110-116.
  • Shell-Spiegel, Hausmagazin der Deutschen Shell AG, 3. Jahrgang, Nr. 4, Okt. 1952, o. O., 50 jähriges Bestehen der Deutschen Shell AG, S. 5.
  • Bauakten der Stadt Monheim und Konzessionsakten des Stadtarchivs Monheim.
  • Zu den Zerstörungen während des Zweiten Weltkriegs: Michael Hohmeier, https://www.monheim.de/stadtleben-aktuelles/stadtprofil/monheim-lexikon/rhenania-1 und rhenania-2.