Das Anwesen der Tabakfabrikanten Dorff liegt zwischen Hitdorfer Hauptstraße und Rheinufer am Ende der Fernstraße, die Solingen und das Bergische Land mit dem Strom verbindet.
Die erst 1964 liquidierte Tabakfabrik Dorff wurde 1765 von Johann Peter Dorff gegründet, der überseeischen und süddeutschen Tabak verarbeiten ließ und ins Bergische Land lieferte, wo der „Schwatten Dorff‘s“ als Pfeifentabak sehr geschätzt war.
Das winkelförmige Haupthaus mit Mansarddach umschließt einen Hof mit Ställen und Remisen; daran schloss sich nach Norden die eigentliche Fabrik an.
Im Dunstkreis des bedeutenden Tabakhandelsplatzes Köln beschäftigten sich schon im 17. und 18. Jahrhundert in den linksrheinischen „bergischen“ Städten wie Mülheim vor allem protestantische Händler mit dem Import und der Weiterverarbeitung von Tabak für den bergischen und niederrheinischen Markt. Sie nutzten dabei ihre familiären und räumlichen Netzwerke, die sich entlang des Rheines herausbildeten. Neben den über Holland importierten Tabak spielten dabei auch die in Baden und der Südpfalz angebauten Pflanzen eine wichtige Rolle, zumal die Herzogtümer Jülich und Berg in dieser Zeit von den in Heidelberg und Mannheim ansässigen Pfalzgrafen und Kurfürsten regiert wurden und sich so zoll- und steuerrechtliche Vorteile boten.
Die in Köln nachweisbare Familie „van Dorp“ war wohl holländischen Ursprungs; ihr Mitglied Johann Peter Dorff (1745-1816) ließ sich im damals vor allem zum Export Solinger Schneidwaren rege genutzte Hitdorf nieder und gründete 1765 eine Rauchtabakfabrik. Haupterzeugnis war der in mit dem Firmenzeichen bedruckte Spitztüten aus Papier verpackte Pfeifentabak, der sich als „Schwatter Dörper“ im Bergischen Land legendärer Beliebtheit erfreute. Der Erfolg rief im Laufe der Zeit eine Reihe von Konkurrenten auf den Plan, zu deren hartnäckigsten wohl im 19. Jahrhundert die Familie Caspers-Neess gehörte, die unter anderem den „Schwatten Hitdorper“ auf den Markt brachte.
Dank des erfolgreichen Geschäftes konnte Johann Peter Dorff mit seiner Frau Maria Sophie Richrath Ende des 18. Jahrhunderts ein stattliches Wohn- und Kontorhaus errichten, das allerdings im Unterschied zu Häusern den eingesessenen Hitdorfer Kaufleuten seinen Platz nicht unmittelbar an der Rheinfront fand, sondern an der von dieser abgehenden Langenfelder Straße. Der winkelförmige Bau bildete eine Ecke eines dreiseitig umbauten Hofes aus Wirtschaftsgebäuden.
Parallel zur Langenfelder Straße entstand im späten 19. Jahrhundert unmittelbar nördlich des alten Anwesens ein bis zur Hauptstraße reichender neuer Fabrikkomplex, der die Form der schmalen, langen Parzelle in West-Ost-Richtung zwischen Rhein- und Hauptstraße aufnahm. Nach Kriegsschäden wurde er zunächst wieder hergestellt, existiert heute jedoch nicht mehr.
Im 19. Jahrhundert dehnte man die Produktion auch auf Zigarren aus, die teilweise in Heimarbeit hergestellt wurden. Einige Zigarrendreher machten sich wiederum selbständig. Um 1900 waren in Hitdorf in fünf Betrieben 90 Personen in der Tabakverarbeitung beschäftigt.
Mit Wilhelm Dorff verstarb 1910 der letzte Namensträger als Firmenleiter. Seine Witwe führte den Betrieb noch fünf Jahre lang weiter, bis 1915 Lorenz Cremer, Inhaber einer 1879 gegründeten Zigarrenfabrik, Eigentümer wurde. Als Geschäftsführer fungierte bis zu seinem Tod. 1905 übernahm Peter Freiburg das Unternehmen; es folgten, schließlich auch als Eigentümer in gleicher Funktion Sohn Hubert und ab 1927 Enkel Lorenz. Das Anwesen war deshalb auch als „Haus Freiberg“ bekannt.
Mangel an preiswerten Arbeitskräften zwischen den Weltkriegen führte – wie bei Caspers-Neess zur Orientierung nach Süddeutschland. Im badischen Hemsbach übernahm Lorenz Freiburg am 1. März 1938 von jüdischen Eigentümern 1928 die 1906 gegründete Zigarrenfabrik des Moses Pfälzer und führte sie unter seinem Namen weiter. Der Verkauf, der mit einer Zahl von etwa 130 Mitarbeitern größten und modernsten Zigarrenfabrik des Ortes geschah „unter dem zunehmenden politischen Druck“; mit ihrer Schließung 1964 endete auch in Hemsbach das jahrhundertealte Gewerbe der Tabakverarbeitung.
Während die Hitdorfer Bauten und Rohstoffbestände Ende des Zweiten Weltkriegs weitgehend zerstört waren, konnte der weniger betroffene süddeutsche Betrieb weitergeführt und auch zum Wiederaufbau der Hitdorfer Produktion beisteuern. Ein Jahr vor dem 200jährigen Betriebsjubiläum wurde die Firma Dorff 1964 wie zahllose andere Klein- und Mittelbetriebe ihrer Branche endgültig geschlossen.
Das im Zweiten Weltkrieg ausgebrannte und danach nur mit einem Notdach wieder aufgebaute Wohn- und Kontorhaus wurde von einem Architekten erworben und in den 1980er Jahren mit einem neuen Mansarddach versehen. Das Innere wurde in mehrere Wohneinheiten aufgeteilt.
Der mächtige zweigeschossige Bau des Wohn- und Kontorhauses Dorff liegt auf winkelförmigem Grundriss mit zwei breiten Fassaden zur Langenfelder Straße und zur Rheinfront. Durch das Gefälle der Straße nach Westen zum Rhein hinunter wird ein hoher Sockel ausgebildet, der – wohl in einer Fassung des späten 19. Jahrhunderts – als Quermauerwerk aus Putz gestaltet ist. Eine breite, niedrige Türöffnung führt in die als Lagerräume genutzten Keller. An der Rheinseite ist im Erdgeschoss ein Vorbau vorhanden, der auch als Balkon für das Obergeschoss dient.
Die beiden Hauptgeschosse der Straßenfassade, von denen das obere etwas niedriger ist, weisen zur Straße hin neun Fensterachsen auf; in der Mitte befindet sich das über eine doppelte, seitlich ansetzende Freitreppe erreichbare Hauptportal. Dieses ist mit den beiden begleitenden Fenstern im Erdgeschoss durch eine Eintiefung verbunden, deren oberer, aus drei segmentbogenförmigen Blendbögen besteht, die zwischen Tür und Fenstern auf Werksteinkonsolen ruhen. Auch diese eigentlich für den Backsteinbau typische Hervorhebung ist vermutlich nachträglich eingefügt. Die ansonsten glatte Putzfassade wird von den nur teilweise regelmäßig angeordneten Fenstern gegliedert. Die drei Achsen des linken, rheinseitigen Teils sind weiter von der Mitte abgesetzt, was auf eine frühere Entstehung hinweisen könnte. Wohl nachträglich angebrachte Gewände umgeben die Fenster. Sie werden im Hauptgeschoss mit Plattkartuschen bekrönt; im Obergeschoss verbindet ein durchlaufendes Profil die segmentbogigen Abschlüsse. Die drei mittleren Achsen überspannt vor dem Dach ein flacher Dreiecksgiebel, dessen grobkörnigen Putzspiegel in der höchsten Stelle eine querovale Öffnung durchbricht.
Das um 1980 erneuerte Mansarddach in roter Ziegeldeckung, weit überstehender, kastenartigen Traufe, verschieferten Graten und einer größeren Zahl von Gauben entspricht nicht dem überlieferten Zustand und stört empfindlich die Proportionen des Baus. Ursprünglich war das Mansarddach verschiefert und ragte mit der Traufe nur gering über die Außenwände vor. Glatte Dachdeckung und eine kleinere Zahl von Gauben betonten die Einheitlichkeit und Masse des Gebäudevolumens, das mehr durch seine enorme Größe als durch architektonische Raffinesse wirkte.
Der Hofflügel mit dem ehemaligen Wirtschaftsgebäude im Norden besteht ähnlich wie beim Haus Caspers-Neess aus einem Fachwerkbau, der hier aber auf eisernen Stützen und Träger als verschiefertes Fachwerkgeschoss ausgeführt ist. Das massive, wohl ursprünglich als Stall dienende Erdgeschoss ist etwas zurückgesetzt. Ein überbauter Durchgang führte zu der dahinterliegenden Neuen Fabrik. Nach Osten schließt ein massiver Remisenflügel den einst sicher durchgängig gepflasterten Hof. Der heute weiß gestrichene Backsteinbau besitzt im Erdgeschoss mehrere Toreinfahrten; darüber befinden sich in einem Drempel mehrere Lukenöffnungen, die als Gauben durch das weit vorkragende, auf eigenen Streben ruhende Dach stoßen.
Ortsinformation:
Langenfelder Straße 3
51371 Leverkusen (Hitdorf)
Literatur und Quellen
- Boerner, August: Kölner Tabakhandel und Tabakgewerbe 1628-1910, Essen 1912
- Terpoorten, Otto: Die wirtschaftliche Entwicklung der niederrheinischen Tabakindustrie seit ihrer Entstehung (Diss.), Goch 1929
- Hinrichs, Fritz: Hitdorf am Rhein. Chronik eines bergischen Hafens, Leverkusen (Opladen) 1957
- Schäfke, Werner; Kölnisches Stadtmuseum: Blauer Dunst: vier Jahrhunderte Tabak in Köln (Ausst.-Kat.), Köln 1984
- Bilz, Fritz: Das Tabakgewerbe in und um Köln bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, in: Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins, Jg. 72, 2001, S. 159-172
- John, Gabriele; KulturStadtLev, Stadtarchiv (hg.): Leverkusen – Geschichte einer Stadt am Rhein, Bielefeld 2005
- Mitte des 19. Jahrhunderts blühte der Tabakanbau in Hemsbach, in: Die Dorfheimat (Heimatbeilage zum „Hemsbacher Stadt-Anzeiger“), Nr. 163, Januar 2007